„Die Jury ist trotz Corona arbeitsfähig“, sagte Bernhard Löhlein vor zwölf Monaten. Gilt das immer noch? Ein Interview mit dem Sprecher des Vereins „Spiel des Jahres“ über Kontaktbeschränkungen, digitale Plattformen und aktuelle Spiele, die auch 2022 noch eine Chance auf Auszeichnungen haben.
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Corona hatte und hat natürlich auch Auswirkungen auf die Brettspielbranche. Veranstaltungen wurden abgesagt oder fanden nur virtuell statt, zum Beispiel die SPIEL.digital. Viele Verlage freuen sich über gestiegene Umsatzzahlen, andere haben Existenzängste. Und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich Gedanken gemacht, wie man mit dem Brettspiel Virusalarm in Bleibhausen aufzeigen kann, wie sich Corona ausbreitet. Alle unsere Artikel rund um das Virus findet ihr auf unserer Corona-Seite.
Vor einem Jahr hieß es im Interview, die Jury sei trotz Corona arbeitsfähig. Gilt das noch?
Ja, das gilt immer noch. Wir haben die Spiele intensiv ausprobieren können, zum größten Teil auch in verschiedenen Besetzungen. Außerdem sind wir Jury-Mitglieder immer im Austausch untereinander.
Die Jury hatte 2020 die meisten Spiele bereits vor Beginn der Corona-Krise mit verschiedenen Gruppen ausprobiert. Das war und ist aktuell nicht möglich. Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeit der Jury?
Die Pandemie hat alle privaten und öffentlichen Bereiche in großem Maße verändert und deshalb natürlich auch das Leben der Jury-Mitglieder. Wir haben genauso viel gespielt wie in anderen Jahren auch, aber eben in anderer Besetzung als dies ohne Kontaktbeschränkungen möglich gewesen wäre. Einige Jury-Mitglieder haben in der Familie gespielt, andere mit Freunden, natürlich immer unter Einhaltung der Corona-Regeln. Auch digitale Plattformen kamen zum Einsatz.
Ihr betont immer wieder wie wichtig es sei, mit verschiedenen Charakteren zu spielen, weil sich so unterschiedliche Seiten eines Spiels zeigten. Kommt das nicht zu kurz, wenn man nur im eigenen Haushalt oder digital spielt?
Das stimmt schon: Manche Spiele hätte man gerne noch mit einer anderen Gruppe ausprobiert. Darum haben wir entschieden, dass 2022 auch Spiele des Vor-Vorjahres berücksichtigt werden können, wenn sie sich als empfehlenswert erweisen und 2021 wegen der pandemiebedingten Einschränkungen nur unzureichend gespielt werden konnten.
Haben Solospiele oder Zwei-Personen-Spiele 2021 gute Chance, nominiert zu werden?
Hier gilt die gleiche Antwort wie im vergangenen Jahr: Diese Spiele haben exakt die gleichen Chancen wie sonst, von uns berücksichtigt zu werden.
Was ist mit Spielen, die erst in größeren Gruppen ihren vollen Reiz entfalten: Haben sie es 2021 besonders schwer?
Um dieser Gefahr zu begegnen, werden eben auch solche Spiele im kommenden Jahr noch berücksichtigt – sofern sie sich als empfehlenswert erweisen.
Kitas und Schulen sind seit März 2020 nicht im Regelbetrieb. Die üblichen Testgruppen standen Jurymitgliedern nicht zur Verfügung. Wird dieses Jahr trotzdem ein Kinderspiel gekürt?
Ja, es wird auch in diesem Jahr ein Kinderspiel gekürt. Die Jury-Mitglieder haben die Spiele mit Kindern im engen Familien- sowie Freundeskreis gespielt und konnten etliche Familien als externe Mit-Tester gewinnen. Eine große Hilfe sind unsere Beirätinnen und Beiräte, die in Kitas und Horten beschäftigt sind. Diese waren trotz Pandemie fast durchgängig mindestens im Notbetrieb geöffnet. So gab es viele Gelegenheiten, dort die Neuheiten auf den Tisch zu bringen.
Wenn die Jury auch ohne öffentliche Spielerunden und Testgruppen ein Kinderspiel, Spiel und Kennerspiel des Jahres küren kann, warum dann überhaupt der ganze Aufwand in Nicht-Corona-Zeiten?
Wir spielen in Corona-Zeiten nicht weniger als sonst. Im Gegenteil. Der Aufwand ist auch jetzt sehr hoch. Wir sind alle begeisterte Spielerinnen und Spieler. Wir selbst möchten einfach mit verschiedenen Runden spielen, endlich wieder auf Spieletreffen, auf Messen und anderen Events spielen und freuen uns, wenn das in Nicht-Corona-Zeiten möglich ist. Der Vorteil dort: Jede Partie verläuft anders. Dadurch erhalten wir vielfältige Rückmeldungen.
Ist das Jury-Urteil dieses Jahr also unqualifizierter als normalerweise?
Nein, das ist nicht der Fall. Wie gesagt: Wir spielen aktuell nicht weniger als üblicherweise und können uns auch 2021 ein differenziertes und qualitatives Urteil bilden. Öffentliche Spielerunden helfen uns allerdings dabei, eine noch größere Gewissheit für die Richtigkeit unsere Entscheidung zu haben.
Merkt die Jury weitere Auswirkungen der Corona-Pandemie?
Das Einzige, was wir bemerkt haben: Die Anzahl an veröffentlichten Spielen ist nicht weniger geworden, sondern nahezu gleichgroß. Obwohl uns die Verlage mitgeteilt haben, dass es mitunter zu Lieferschwierigkeiten gekommen ist und sich manche Erscheinungen verspäten. Deshalb gab es im Herbst wohl weniger Neuerscheinungen, dafür sind aber überdurchschnittlich viele Neuheiten im Winter und Frühjahr bei uns angekommen.
Bei der Corona-Aktion #gemeinsamspielen konnten Menschen Gutscheine für Fachhändler gewinnen. Warum lief die Jury-Aktion nur bis Anfang Mai 2020 obwohl die Corona-Pandemie bis heute andauert?
Im März letzten Jahren hatten uns die Pandemie und der bundesweite Shutdown völlig unvorbereitet getroffen. Da war es gut, dass wir mit einem Wettbewerb ganz gezielt auf Schülerinnen und Schüler zugingen. Als die Schulen dann schrittweise wieder zum Präsenzunterricht zurückkehrten, nahm das Interesse ab und wir beendeten den befristet angelegten Wettbewerb.
Die Jury unterstützt 2021 Spielen in der Gastronomie. Die Branche ist von Corona besonders stark betroffen. Zeigte sich das auch in der Zahl der Anträge?
Es sind bislang gerade mal fünf Anträge eingegangen, die dem Förderschwerpunkt Gastronomie zuzuordnen sind. Wir haben für diese insgesamt 3.800 Euro ausgeschüttet. Weil wir bereits davon ausgingen, dass nur wenige Anträge kommen, hatten wir schon im vergangenen Jahr beschlossen, die Frist zum Einreichen von Förderanträgen bis zum Sommer zu verlängern.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie noch auf die Vereinsarbeit?
Wir nehmen wahr, dass in der Pandemie Gesellschaftsspiele boomen. Darum sehen wir einmal mehr die große Verantwortung, die der Verein hat, und wollen dieser auch gerecht werden.