Die Spielebranche ist ein Gewinner der Corona-Krise. Doch nicht alle Verlage freuen sich über steigende Umsätze. Vor allem kleine Verlage leiden unter Geschäftsschließungen und der Absage Verschiebung der Messe Spiel.
Vom wegen Krise: Die deutsche Brettspielbranche trotzt Corona. Um 20 bis 25 Prozent stieg im März und April der Verkauf von Gesellschaftsspielen bei der Spiele-Offensive. Das sagte Frank Noack, Geschäftsführer des Onlinehändlers, der Fachzeitschrift spielbox. Bei Ravensburger haben sich laut dem Artikel im März und April Familienspiele und Titel für junge Erwachsene besonders gut verkauft, zum Beispiel Minecraft und Villainous. Doch nicht alle freuen sich über mehr Geld in der Kasse. „Während die Branche durch die Kontaktbeschränkungen insgesamt eher profitiert hat, trifft dies auf viele kleine Verlage nicht zu. Zeitweise waren zum Beispiel keine Beratung und kein Ausprobieren im Fachhandel möglich, sodass sich viele Käufer auf bekannte Titel konzentriert haben“, sagt Henning Poehl, Vorstandsmitglied von der Genossenschaft Spiel direkt.
Spiel direkt ist eine Vertriebsgenossenschaft für Kleinverlage. Dazu zählt die Genossenschaft alle Verlage, die maximal fünf Titel pro Jahr herausbringen, von Einzelunternehmern geführt werden oder nur aus zwei bis drei Personen bestehen. „Kleinverlage werden häufig auch nur nebenberuflich geführt“, sagt Poehl. Trotz dieser Definitionen: Der Übergang zwischen winzigen, kleinen und großen Verlagen ist fließend. Igel Spiele ist ebenso Mitglied bei der Genossenschaft Spiel direkt wie Frosted Games, Qango ebenso wie Feuerland Spiele. Die Corona-Krise trifft jedes Genossenschaftsmitglied anders. „Ein deutlich spürbarer Gewinnausfall wird es aber für alle Unternehmen sein. Je nachdem wie stark ein Verlag finanziell aufgestellt ist, wird das Konsequenzen haben“, sagt Poehl.
„Es droht eine Schieflage“
Neben einigen Spieleverlagen profitierte auch Amazon von Corona. Laut Tagesschau stieg der Umsatz im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent auf 68,9 Milliarden Euro. Allerdings habe der Onlinehändler auch hohe Ausgaben gehabt, etwa aufgrund einer Einstellungsoffensive angesichts des großen Kundenansturms. Trotzdem habe Amazon seine marktbeherrsche Stellung weiter ausbauen können. Auch Spiel-Direkt-Mitglieder verkaufen über Amazon. Spiele wie „17 Kronen“ oder „Mord bei Tisch – Der Backstage-Fall“ sind sogar „Amazon’s Choice“-Produkte. Die Umsatzausfälle durch geschlossene Läden habe das aber nicht kompensiert.
Umso härter trifft einige Kleinverlage die Absage Verschiebung der Spiel. Die weltgrößte Publikumsmesse für Brettspiele findet dieses Jahr nur im Internet statt. „Nachdem bereits mehrere Veranstaltungen gestrichen wurden, stellt diese Absage viele kleine Verlage und einen Teil unserer Mitglieder vor Probleme. Es bricht ein wichtiger Absatzmarkt weg“, sagt Poehl. Laut ihm ist die Messe für Kleinverlage einer der wichtigsten Verkaufskanäle. „Dort können sie Spiele ohne Zwischenhändler mit größtmöglichem Gewinn direkt an den Kunden verkaufen.“ Das gelte vor allem für Kleinauflagen. Bei jeder Spieleproduktion fallen fixe Kosten an. Je mehr Exemplare man produziert, desto geringer sind die Kosten pro Stück. „Wenn man ein Spiel in geringer Auflage produziert und einen Verkaufspreis haben will, der für Kunden akzeptabel ist, muss man bei der Kalkulation an die Schmerzgrenze gehen. Wenn Großhandel und Handel auch noch eine Marge bekommen, bleibt beim Verlag kaum etwas hängen. Eine Kleinauflage rechnet sich daher in der Regel nur, wenn der Verlag einen deutlichen Anteil direkt an Endkunden verkaufen kann“, sagt Poehl. Er warnt vor gravierenden Folgen für die Kleinverlagsszene durch die Absage der Spiel. „Speziell kleine Verlage haben bisher einen wesentlichen Teil ihrer Produktion auf der Messe verkauft. Mehr noch: Viele arbeiten gezielt auf en Termin hin und stimmen ihren gesamten Veröffentlichungsprozess darauf ab. Durch die Absage können diese Verlage in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, die für einige existenzbedrohend werden könnte.“
Keine Spielemesse, keine Nachfrage
Auf Messen erreichen Verlage außerdem Multiplikatoren wie Kennerspieler, Händler oder Influencer. Empfehlen diese ein Spiel Freunden, Kunden oder Zuschauern, steige die Nachfrage danach. Dadurch könnten auch Kleinverlage ohne großes Marketingbudget Kunden auf ihre Spiele aufmerksam machen. „Wegen der geringen Marge beim Verkauf einer Kleinauflage, können Kleinverlage nicht viel Geld in Werbung investieren. Umso wichtiger ist für sie das Direktmarketing auf Messen“, sagt Poehl. „Einzelhändler kaufen in erster Linie Produkte, für die es eine Nachfrage gibt. Wenn Niemanden ein Spiel nachfragt, gibt es für Einzelhändler keinen Grund, es ins Regal zu stellen.“ Das gelte auch für Onlinehändler. „Ich glaube nicht, dass Amazon eine Nachfrage erzeugen kann. Amazon befriedigt im Wesentlich nur eine Nachfrage, die woanders erzeugt wird, zum Beispiel auf einer Messe.“
Aktuell arbeitet die Spiel an der virtuellen Ausgabe der Messe. Stände sind nun Kacheln, die im Weltraum schweben. „Besonderer Besucherandrang wird an den jeweiligen Verlagskacheln visualisiert. So können auch kleine Verlage mit guten Spielen viel Aufmerksamkeit bekommen“, heißt es in den Verkaufsunterlagen der Messe. Darin wird außerdem darauf hingewiesen, dass Aussteller Spiele über eigene oder Partner-Webshops verkaufen könnten. Poehl glaubt trotzdem nicht, dass die virtuelle Messe die reale ersetzen kann. „Ein Spiel in einem Webshop zu kaufen, ist nicht das gleiche, wie an einem Stand, es anschließend über die Messe zu tragen und sich mit Leuten, denen man begegnet, über das Gekaufte und Gesehenen auszutauschen. Was im Publikum passiert ist das, was eine Messe zum großen Teil ausmacht. Das wird auf einer virtuellen Messe fehlen.“
Videotelefonate statt Messetermine
Die Absage hat auch Auswirkungen auf das Geschäft hinter den Kulissen. In Essen treffen sich Redakteure, Autoren, Illustratoren, Vertriebspartner und Händler. Sie verhandeln über Verträge, Lizenzen und zukünftige Spiele. All das fehlt dieses Jahr. Ravensburger oder Pegasus haben deshalb bereits virtuelle Autorentreffen organisiert. Dort konnten Autoren ihre Prototypen Redakteuren präsentieren. Andere Geschäftstreffen finden nun per Videotelefonie statt. Die Organisatoren der digitalen Spiel wissen das und bieten deshalb auch virtuelle Businesslounges an. Gleichzeitig wollen sie möglichst viele Messeerlebnisse ins Internet übertragen. Angedacht sind virtuelle Spielerunden, Livestreams und Diskussionspanels. Die Genossenschaft Spiel direkt plant keine eigenen digitalen Formate. „Wir vertreiben ,nur‘ an Händler. Das Marketing für die Produkte obliegt den einzelnen Verlagen. Unser Konzept ist es, dass wir uns dabei aber gegenseitig untereinander unterstützen“, sagt Poehl.
Poehls Fazit: „Es gab im Netz schon immer zahlreiche Möglichkeiten, sich über Spiele zu informieren. Die Messebesucher taten und tun dies in der Regel im Vorfeld der Messe. In den Hallen geht es darum, ein Spiel real zu sehen und zu erleben, es genauer in Augenschein zu nehmen und das Material zu fühlen. Bei einer virtuellen Messe bekommt man dagegen mehr oder weniger dasselbe, was man zum Teil auch schon vorher im Netz machen konnte. Die virtuelle Spiel wird deshalb kein Ersatz zur physischen sein. Sie ist aber eine neue Möglichkeit, für Verlage sich zu präsentieren. Ob und wie das funktioniert, wird sich zeigen. Ich kann mir vorstellen, dass sich das Konzept einer virtuellen Messe als zusätzliche Möglichkeit zu physischen Messen etablieren kann. Schließlich hat nicht jeder Interessierte die Möglichkeit, die Messe vor Ort zu besuchen.“