In Baden-Württemberg haben Archäologen eine fast tausend Jahre alte Spielesammlung ausgegraben. Die Funde zeigen, welcher Zeitvertreib im Mittelalter besonders beliebt war.
Bei archäologischen Ausgabungen auf einer Burg in Süddeutschland bei Lichtenstein-Holzelfingen (Kreis Reutlingen) entdeckten Forscherinnen und Forscher eine hervorragend erhaltene Springerfigur. Sie ist Teil einer Spielesammlung, zu der auch blütenförmige Spielsteine und ein Würfel mit sechs Augen gehören. „Unter dem Mikroskop zeigt sich ein typischer Glanz vom Halten und Bewegen der Stücke“, sagt Flavia Venditti von der Universität Tübingen. Das deute darauf hin, dass der Springer schon damals beim Zug angehoben wurde – und die damaligen Schachregeln den heutigen ähnlich gewesen sein könnten. „Die Funde lagen unter dem Schutt einer Mauer, wo sie im Mittelalter verloren oder versteckt wurden“, sagte Dr. Michael Kienzle von Universität Tübingen. Die Überdeckung trug dazu bei, dass die Oberflächen der Spielsteine außergewöhnlich gut erhalten sind.
Aufwändige Gestaltung der Mähne und Augen
Augen und Mähne der vier Zentimeter hohen Pferdefigur sind plastisch ausgeformt. Diese aufwändige Gestaltung ist laut Forscherinnen und Forschern typisch für besonders hochwertige Schachfiguren dieser Zeit. Die an den Spielsteinen nachgewiesenen roten Farbreste werden aktuell chemisch analysiert. Von der detaillierten Auswertung der Funde erhoffen sich die Forschenden vielfältige Einblicke in die Spielewelt des mittelalterlichen Adels und die Wurzeln des europäischen Schachspiels.
Gut erhaltene archäologische Funde von Schachfiguren und Spielsteinen für andere Brettspiele aus der Zeit vor dem 13. Jahrhundert sind in Mitteleuropa sehr selten. Wenn Schachfiguren gefunden werden, dann oft auf Burgen. Das hat seinen Grund: Schach gehörte zu den sieben Tugenden, die ein Ritter beherrschen musste – neben Bogenschießen, dem Schwertkampf, der Dichtkunst, dem Reiten, der Jagd und dem Schwimmen.
Schach: Von Indien nach Europa
Die Ursprünge des Schachspiels lassen sich bis ins 6. Jahrhundert nach Christus nach Indien zurückverfolgen. Von dort verbreitete es sich im Laufe der Jahrhunderte über Persien und die arabische Welt nach Europa. Im deutschen Sprachgebiet wurden das Spiel und das Schachbrett im Mittelalter Schachzabel genannt. Im Laufe der Zeit veränderten sich die Regeln, bis das Spiel so gespielt wurde, wie wir es heute in Europa kennen.
Ausstellungen angekündigt
Die Fundstücke sind am 15. Juni und 16. Juni in Pfullingen zu sehen, in der Sonderausstellung „Ausgegraben! Ritter und Burgen im Echaztal“ im Schlösslepark. Ab Mitte September werden sie dann in der Ausstellung „THE hidden LÄND – Wir im ersten Jahrtausend“ in Stuttgart gezeigt