Carol Rapp. Foto: Spiel Essen

Spiel Essen: Carol Rapp über gestiegene Kosten, geplante Kooperationen und gesellige Messetage

Seit Januar ist Carol Rapp für die Spiel in Essen verantwortlich. Wir haben mit der Geschäftsführerin des Friedhelm Merz Verlages gesprochen – über gestiegene Eintrittspreise, die Spannungen mit dem Nostheide-Verlag und die Vorgaben der Spielwarenmesse.


Carol Rapp
Carol Rapp wurde 1979 geboren. Sie ist seit dem 15. November 2022 Geschäftsführerin des Friedhelm Merz Verlages, der die Messe Spiel in Essen organisiert. Vorher arbeitete Rapp als Beraterin in der Brettspielbranche. Außerdem war sie Geschäftsführerin der Asmodee GmbH und Marketingreferentin für Familien- und Erwachsenenspiele bei Kosmos.

Spiel Essen
Seit 1983 hat sich die Spiel Essen von einem kleinen Treffen für Spielerinnen und Spieler zur laut Auskunft des Veranstalters weltgrößten Publikumsmesse für Brett-, Karten- und Rollenspiele entwickelt. Dominique Metzler hatte maßgeblichen Anteil daran, zog sich aber im Januar 2023 als Geschäftsführerin der Spiel zurück. Bereits 2022 verkaufte Metzler die Spiel an die Spielwarenmesse eG. Seit Januar 2023 ist Carol Rapp mit ihrem Team für die Messe verantwortlich. Zusammen haben sie seitdem ein neues Logo und Maskottchen entworfen, die Webseite erneuert und das Hallenkonzept überarbeitet.

Du warst in den vergangenen Monaten auf der Spielwarenmesse, der UK Games Expo und der Berlin Brettspiel Con. Welche Inspirationen für die Spiel hast Du mitgenommen?
Ich habe mitgenommen, dass Menschen sich mehr freie Spielflächen wünschen. Wir prüfen, wie und ob wir das umsetzen können. Das ist ein sehr komplexes Thema, daher wird eine Entscheidung dazu nicht vor 2024 fallen. Auf der UK Games Expo gibt es – obwohl sie in erster Linie eine Publikumsmesse ist – einen Geschäftsbereich für B2B. Ich kann mir vorstellen, dass wir das ab 2024 auch angehen und den B2B-Bereich auf der Spiel ausbauen.

Die Hallenpläne stehen, der Kartenverkauf läuft, die neue Webseite ist online: Was gibt es bis zum Messestart noch zu tun?
Es sind noch viele Details zu klären, die für eine erfolgreiche Messe wichtig sind. Marketingmaterialien müssen abgestimmt und produziert werden. Wir sind in der Detailplanung für den Educators Day. Wir organisieren unsere Abendveranstaltung am Mittwoch. Und ja, der Ticketverkauf läuft, aber wir bekommen immer wieder Fragen dazu, zum Beispiel wenn Leute versehentlich ein falsches Ticket kaufen.

In einem Interview mit der Spielbox hast Du gesagt: Ich glaube nicht, dass wir 2023 die Besucherzahlen von 2019 erreichen. Warum nicht?
Die Spielbox hat mich im Juni interviewt. Da war die UK Games Expo gerade vorbei und ich habe gesehen, dass sie stark besucht war. Auch wir sind auf einem guten Weg. Mit rund 32.400 Quadratmetern Standfläche in sechs Hallen ist die Messe die größte Spiel aller Zeiten. Gut 850 Aussteller aus 55 Nationen präsentieren in diesem Jahr ihre Spiele. Der Karten-Vorverkauf läuft bisher sehr gut und ich gehe davon aus, dass wir viele Besucherinnen und Besucher haben werden. Die große Frage ist: Werden es mehr als 2019 sein, also mehr als 209.000 Menschen. Ich bin optimistisch, aber ich sage trotzdem nicht: Das schaffen wir auf jeden Fall.

Mit wie vielen Menschen rechnet ihr?
Mein Wunsch wären mindestens 180.000 Personen.

Ist das die Messlatte für eine erfolgreiche Spiel?
Wir sind jetzt schon glücklich mit dem, was wir geschaffen haben. Wir freuen uns über Rückmeldungen der Aussteller, zum Beispiel zur neuen Hallenaufteilung. Neben den Ausstellern sind uns aber auch die Besucherinnen und Besucher wichtig. Wir hoffen, dass sie uns nach der Messe ebenfalls eine positive Rückmeldung geben.

Die Spiel 2023 hat ein neues Hallenkonzept. Spiele und Verlage sind nun nach Kategorien zusammengefasst. Hallen 2, 4, 5 und 6: Familienspiele, vom einfachen Kinder- bis zum leichten Kennerspiel. Halle 3: Kenner- und Expertenspiele. Halle 1: Rollen-, Sammelkarten- und Miniaturenspiele.
Die Spiel 2023 hat ein neues Hallenkonzept: Spiele und Verlage sind nach Kategorien zusammengefasst. Hallen 2, 4, 5 und 6: Familienspiele, vom einfachen Kinder- bis zum leichten Kennerspiel. Halle 3: Kenner- und Expertenspiele. Halle 1: Rollen-, Sammelkarten- und Miniaturenspiele. Ziel ist es, dass sich neue Besucherinnen und Besucher auf der Messe besser zurechtfinden.

Der Merz Verlag gehört seit 2022 der Spielwarenmesse. Welche Vorgaben machen die Nürnberger?
Die Spielwarenmesse weiß, dass Messen unterschiedlich sind. Sie weiß, dass wir uns in der Brettspielwelt auskennen. Daher lassen sie uns machen, wollen nur informiert werden und geben uns Rückmeldung. Wir bekommen keinen großen Druck von unserer Muttergesellschaft und profitieren von ihrem Wissen rund um Fachmessen. Natürlich hat jedes Unternehmen ein Budget und unterm Strich müssen Einnahmen und Ausgaben stimmen. Aber auch diese Vorgaben sind sehr human. Wir wollen beim Umsatz das Vor-Corona-Niveau erreichen oder übertreffen.

Wenn die Vorgaben human sind, warum die Erhöhung der Eintrittspreise und Ausstellergebühren?
Die Spiel hat Eintrittspreise und Ausstellergebühren regelmäßig erhöht. Das muss so sein, weil unsere Kosten steigen, in den vergangenen Monaten zum Beispiel durch Inflation. Durch die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind auch Energiekosten deutlich gestiegen. Wir können betriebswirtschaftlich nicht anders als einen Teil der Kosten auf die Aussteller umzulegen. Dabei belasten wir Verlage nicht mit exorbitanten Aufschlägen. Wir haben die Preise deutlich unter der Inflationsrate angehoben. Ja, es gibt jetzt eine zusätzliche Energiepauschale für Aussteller. Diese werden wir aber wieder abschaffen, wenn die Energiepreise sinken. Bei den Eintrittspreisen ist es wichtig, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Es kann zu Verwirrung führen, wenn in einem Jahr Vorverkaufsgebühren im Eintrittspreis enthalten sind und in einem anderen Jahr nicht.

Die Spiel hat drei große Einnahmeblöcke: Eintrittskarten, Ausstellergebühren und Marketingkampagnen. Gibt es Überlegungen, die Gewichtung zwischen den Blöcken zu verschieben?
Nein. Ich bin keine Freundin davon, Kosten einseitig zu verteilen.

Wie profitiert die Spiel von der Spielwarenmesse?
Wir profitieren vom Fachwissen der Nürnberger Kolleginnen und Kollegen. Die wenigsten aus dem neuen Team kennen das Messegeschäft. Da hilft uns der Austausch. Wir profitieren von der Nürnberger Marketing-Abteilung. Unsere gesamte Außenkommunikation haben wir mit den Kolleginnen und Kollegen umgesetzt. Das gilt auch für die neue Internetseite der Spiel. Wir profitieren vom Repräsentanten-Netzwerk der Spielwarenmesse. Repräsentantinnen und Repräsentanten sind auf der ganzen Welt vertreten und Ansprechpersonen für Aussteller vor Ort. Das erleichtert die Akquise von neuen Ausstellern. Wir versuchen, außerdem in weiteren Bereichen zusammenzuarbeiten, zum Beispiel beim Ticketshop.

Wie profitiert die Spielwarenmesse von der Spiel?
Wir sind im Moment als Team stark mit uns selbst beschäftigt. Prozesse müssen sich einspielen, unsere erste Messe soll gut laufen. Danach schauen wir, was wir zurückgeben können. Es gibt konkrete Themen, über die wir nach Oktober sprechen wollen.

Warum wurde die Spiel.Digital eingestellt?
Es ist viel Geld in die Plattform geflossen und es hätte noch mehr investiert werden müssen. 2021 hat sich gezeigt, dass es für die Verlage zu viel ist, die Messe vor Ort und die Spiel.Digital gleichzeitig zu betreuen. Das hat dazu geführt, dass die Besucherinnen und Besucher der Spiel.Digital enttäuscht waren, da auf der Plattform nicht viel passiert ist. Die Spiel.Digital könnte funktionieren, müsste dazu aber vom Messetermin entkoppelt werden.

Gibt es dafür Pläne?
Nein, im Moment nicht. Wir konzentrieren uns auf die Messe in Essen.

Stattdessen wird es wieder eine App geben. Sie enthält Hallenpläne und Informationen zu Spielen. Ist das der Einstieg in ein weiteres Geschäftsmodell, schließlich sind Daten das Gold der Gegenwart.
Wir sind schon von Leuten und Institutionen auf die App angesprochen worden. Eine Frage ist, ob ein mögliches Verzeichnis lieferbarer Spiele einen Auszug aus unseren Daten bekommt. Das muss noch geklärt werden. Für Besucherinnen und Besucher ist und bleibt die App kostenlos.

Die App der Messe. Quelle: Spiel Essen
Die App zur Spiel Essen enthält nun auch Bilder und mehr Informationen zu Neuheiten. Es gibt außerdem digitale Hallenpläne, eine Programmübersicht, allgemeine Informationen zur Messe und Werbebanner.

Neben der Spiel.Digital gibt es auch den gedruckten Messe-Guide nicht mehr. Warum?
Wir möchten uns auf die App konzentrieren. Sie ist aktueller als ein gedrucktes Heft mit Redaktionsschluss. Daten in einer App können jederzeit aktualisiert werden. Weitere Vorteile: Man kann gezielt nach Verlagen oder Spielen suchen.

Trotzdem wird es eine gedrucktes Messeheft geben, das spielbox special vom Nostheide-Verlag. Gehören die Spannungen mit dem Nostheide-Verlag damit der Vergangenheit an?
Ich bin keine Freundin von alten Geschichten. Wir und der Nostheide-Verlag sprechen miteinander und beobachten, wie sich Dinge entwickeln. Der Nostheide-Verlag freut sich, dass er das spielbox special wieder auf dem Messegelände verteilen darf. Auch wir freuen uns darüber, denn wir kommen darin vor. Für mich ist ein Geben und Nehmen wichtig. Solange beide Seiten glücklich sind, ist alles in Ordnung.

Neben dem Nostheide-Verlag gibt es weitere Akteure in der Szene. Plant ihr weitere Kooperationen mit Unternehmen, Verbänden oder Einrichtungen?
Ja, das planen wir und sind dazu bereits in Gesprächen. Mehr Details möchte ich aktuell nicht verraten.

Ihr habt im Mai das neue Logo der Spiel vorgestellt. Darin taucht der Name der Stadt Essen auf. Viele haben das als ein Bekenntnis zu Essen gesehen. Ist es gleichzeitig die Vorbereitung auf eine Expansion der Spiel in weitere Länder?
Nein, das ist nicht der Hintergrund. Im Ausland ist der Begriff Spiel nicht so bekannt, Essen dagegen schon. Deshalb haben wir die Stadt ins Logo aufgenommen. Außerdem wollen wir damit zeigen, dass wir uns der Stadt zugehörig fühlen. Die Spiel und Essen gehören zusammen. Wir wollten mit der Namensänderung auch allen Leuten den Wind aus den Segeln nehmen, die sagen, wir verlassen die Stadt. Eine Expansion in weitere Länder ist aktuell nicht geplant.

Bis wann sind die Verträge in Essen unterschrieben.
Wir schließen Verträge mit der Messe Essen traditionell immer über zwei Jahre ab. Wir sind also definitiv bis 2024 in Essen, das ist schriftlich fixiert. Wir planen darüber hinaus mit dem Standort und sind in Gesprächen über weitere zukünftige Termine.

Du kennst die Spiel in verschiedenen Funktionen. Jetzt kommt Deine erste Messe als Geschäftsführerin. Wie wirst Du die Tage verbringen?
Am Mittwoch bin ich auf der Pressekonferenz und moderiere die Abendveranstaltung. Von Donnerstag bis Sonntag weiß ich noch nicht genau, wann ich wo sein werde. Ich bin nicht die alleinige Herrin meines Terminkalenders. Ich werde aber auf jeden Fall durch die Hallen laufen, Interviews geben und mit Ausstellern sowie Besucherinnen und Besuchern sprechen. Ich glaube, die Zeit vergeht schneller als man schauen kann.

Wo siehst Du die Spiel in fünf Jahren?
Wir werden immer eine Publikumsmesse sein. In fünf Jahren wird es trotzdem hoffentlich einen ausgeprägteren Geschäftsbereich geben. Schon heute ist der B2B-Aspekt auf der Spiel nicht zu unterschätzen. Wenn es so weitergeht wie in den letzten Jahren, werden wir in fünf Jahren vielleicht die ganze Messe belegen. Auch in Zukunft soll man bei uns zu jeder Zeit an jedem Stand spielen können. Das sollte sich nie ändern, das macht die Messe aus. Dann wird es hoffentlich weitere Kooperationen geben. Gerne auch mit internationalen Veranstaltungen. Wir wollen die Welt bespielen, weil Menschen durch Spiele so viel erfahren, lernen und erleben können. Deshalb wollen wir mit den Organisationen und Veranstaltern sprechen, damit wir das Kulturgut Spiel weiter voranbringen können.

Aktualisierung am 10. Oktober 2023: Vom 5. bis 8. Oktober 2023 haben nach Angaben der Veranstalter 193.000 Menschen aus 85 Ländern die Spiel Essen besucht. Mit dieser Zahl und einer Gesamtfläche von 62.500 Quadratmetern habe die größte Spiel aller Zeiten stattgefunden. Diese Aussage bezieht sich nur auf die Gesamtfläche. Im Jahr 2019, vor der Corona-Pandemie, besuchten 209.000 Menschen die Messe. 2023 gab es laut Veranstalter 935 Aussteller aus 56 Nationen, die 1.700 Neuheiten präsentierten. Im Vorjahr waren es 980 Aussteller aus 56 Nationen.

Das Interesse an der Spiel 2023 habe sich auch auf die Frequenz bei den Ausstellern ausgewirkt: „Unser Stand war an allen vier Tagen wirklich gut besucht. Die Spieltische waren fast immer komplett belegt. Wir hatten deutlich mehr Verkäufe auf der Messe als die vergangenen Jahre. Zwar war der einzelne Bon etwas niedriger, dafür haben wir viel mehr Kunden bei uns an der Kasse gehabt“, sagt Andreas Finkernagel, Geschäftsführer des Friedberger Verlags Pegasus Spiele.

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