So spielt die Welt. Fotos: jarts/Peer Sylvester/Bambus Spieleverlag/photocase.com. Montage: Sebastian Wenzel.

Peer Sylvester: „Spielen ist Luxus“

Der Buch- und Spieleautor Peer Sylvester ist um die Erde gereist. In seinem Werk „So spielt die Welt – Ein Reiseführer durch die internationale Spieleszene“ hat er seine Erfahrungen festgehalten. Wir fragten Peer, wie sich deutsche Spielevorlieben von denen anderer Nationen unterscheiden, welche Spiele auf einer Reise auf keinen Fall fehlen dürfen und was das beste Spiel der Welt ist.


Hinweis: Das Interview erschien erstmals 2010 auf zuspieler.de.

Deutschland ist ein Spieleparadies. In Deinem Buch schreibst Du: „In keinem Land der Erde ist die Spielszene so lebendig und die Anzahl an qualitativen Neuerscheinungen jedes Jahr so hoch wie hier.“ Warum sollten deutsche Spieler ihr Paradies trotzdem verlassen und herausfinden, welche Spiele Menschen in anderen Teilen der Erde mögen?
Man muss das Paradies ja nicht verlassen, um sich dafür zu interessieren, wie andere Kulturen spielen. Ich denke, es ist sehr interessant zu sehen, dass unsere Art zu spielen nicht die einzige sein muss. Andere Länder haben durchaus auch tolle Spiele zu bieten, von denen man hierzulande wenig weiß. Wer nicht immer dasselbe spielen will, muss sich nach Neuem umsehen – und da bietet die große, weite Welt tatsächlich vieles.

Wie unterscheiden sich die Spielvorlieben der Deutschen von denen anderer Nationen?
Allgemein werden in Deutschland mehr Spiele gekauft, auch von Erwachsenen. Spielen bedeutet in den meisten anderen Ländern entweder Kinder- beziehungsweise Lernspiel oder es steht für klassische Spiele wie Schach oder Glücksspiele.

Vergleicht man Länder, in denen eine Vielspielerszene existiert, stellt man fest: Deutsche konzentrieren sich eher auf den Mechanismus. In den anderen Nationen zählt die Geschichte hinter dem Spiel mehr. Eventuell geht es in der Bundesrepublik auch etwas mehr um die persönliche Herausforderung, als um das Miteinander. In vielen Ländern steht dagegen das Gemeinsame mehr im Vordergrund.

Gibt es trotz dieser Unterschiede Spiele, die auf jedem Kontinent beliebt sind?
Klassiker wie Schach, Dame und Backgammon sind ziemlich universell. Im asiatischen Raum kommen noch Mah-jongg oder Big-Two-ähnliche Spiele dazu. Big Two ist ein Kartenspiel, das die Vorlage zu Tichu war.

Was macht den Reiz dieser Spiele aus?
Sie sind als geistige Herausforderung für Erwachsene etabliert. Interessierte können sie spielen, ohne dass Aussenstehende denken „Was für einen Kinderkram machen die denn?“. Zudem wird nur Alltagsmaterial benötigt, das jedem zur Verfügung steht.

Hasbro gehören die Rechte an Monopoly, Scrabble, Yahtzee, Vier gewinnt, Trivial Pursuit und Jenga. Ist das Unternehmen für die Brettspielbranche das, was Coca-Cola für die Getränkeindustrie ist?
Mit Sicherheit! Diese Spiele – insbesondere Monopoly und Scrabble, aber auch Cluedo und Risiko, die definitiv dazugehörigen – sind die Spiele, an denen jeder Außenstehende denkt, wenn er „Brettspiele“ hört. Das ist in Asien nicht anders als in Nordamerika. Hierzulande wird man vielleicht noch auf Siedler angesprochen. Aber allein die Tatsache, dass sich Monopolyausgaben immer noch in den Top-Ten-Listen der bestverkauften Spielen findet, spricht Bände.

Neben den Klassikern von Hasbro hast Du während Deinen Reisen zahlreiche weitere Spiele kennen gelernt. Welches davon ist für Dich das beste Spiel der Welt?
„Das Beste“ gibt es nicht, sondern hängt immer von der Gruppe und von der Stimmung ab. Von den Klassikern schätze ich insbesondere das heimische Skat, wenn es etwas anspruchsvoller sein soll, oder das koreanische Peeper, wenn man mal etwas locker wegspielen möchte. Bei den professionell verarbeitetet Spielen möchte ich mich nicht festlegen. Es sind einfach zu viele. Einen Geheimtipp verrate ich aber doch: Japaner haben eine Reihe von interessanten und ungewöhnlichen Spielen im Programm.

Du hast 14 Monate in Thailand gelebt und gearbeitet – in einem Land, in dem es so gut wie keine Brettspielszene gibt. Spielen wird dort wie in Brasilen oder Finnland vor allem als Kindersache angesehen. Warum?
Spielen ist ein Luxus. Es kostet nicht nur Geld für das Spiel selbst, sondern wertvolle Zeit. In einem Schwellenstaat wie Thailand ist nicht viel Platz für Müßigtum. Klassiker wie Dame oder das thailändische Schach sind als geistige Herausforderung aber etabliert und gelten quasi als Sport – das ist was produktives, also in Ordnung.

Letztlich ist es eine Wahrnehmungssache: Wenn es keine (oder kaum) moderne Spiele speziell für Erwachsene gibt, spielt logischerweise kein Erwachsener beziehungsweise nimmt Spiele als mögliche Freizeitbeschäftigung wahr. So beiß sich die Katze in den Schwanz.

Zahlreiche Spiele benötigen viel Platz im Koffer. Dein Tipp als erfahrenen Reisender. Welche drei Werke brauchen nur wenig Stauraum, und sollten im Gepäck nie fehlen?
Ein Standardkartenspiel ist für mich Pflicht. Darüber hinaus ist es natürlich Geschmackssache, was man mitnimmt. Ich packe immer ein Spiel aus der „10 Days in…“ – Reihe von Alan Moon ein. Die brauchen nicht viel Platz, sind schnell gespielt und einfach in den Regeln. Das dritte Spiel variiert immer wieder. Letztes Mal war es die Reiseausgabe von den Siedlern, nächstes Mal hat „String Railway“ gute Karten :-).

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