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Spielerische Wortschätze: Vom Ass im Ärmel bis zur Zwickmühle

Im Sport, in der Politik und in der Wirtschaft wird um die Wette gespielt, alles auf eine Karte gesetzt und am Ende sind die Würfel gefallen. Jürgen Ehrenmüller weiß, woher solche Metaphern kommen. Er untersuchte in seiner Diplomarbeit „Spielerische WortSchätze“ wie sich die Spielleidenschaft der Menschen in der Alltagssprache niederschlägt.


Hinweis: Dieser Beitrag erschien erstmals 2012 auf zuspieler.de. Mehr zu dem Thema auch im Buch „Die Würfel sind gefallen. Belegsammlung und Analysen zur Metaphorik des Spiels in der deutschen Gegenwartssprache.“ von Jürgen Ehrenmüller, Graz, Grazer Universitätsverlag 2014.

Exakt 279 Belege spielerischer Wortschätze – vom Ass im Ärmel, über das Bauernopfer, den Dominoeffekt, das Kinderspiel bis hin zum Politpoker, dem Spiel mit der Macht, dem großen Wurf und dem Zugzwang – hat Ehrenmüller mit kurzen Beschreibungen versehen in die Projektdatenbank eingetragen. „Menschen greifen immer wieder auf Metaphern zurück, um die Welt zu strukturieren. Das Spiel bietet sich für eine Analyse an, weil es eine demokratische Grunderfahrung und jedem zugänglich ist“, sagt Ehrenmüller. Das Spiel sei eine Aktivität, die vor allem zum Vorschein komme, wenn überschüssige Zeit zur Verfügung stehe. „Ich habe versucht herauszufinden, welche Begriffe für Spielmetaphern gebraucht werden. Zentral dabei war die Zuordnung der Wörter zum Bereich Spiel. Bei Zeitnot war das schwierig. Es stellte sich aber heraus, dass es ein Fachbegriff aus dem Schach ist“, sagt Ehrenmüller. Oder Zwickmühle: Hiermit ist das Moment einer Lage gemeint, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint.

Der Fundus, aus dem Ehrenmüller schöpft, ist groß: Es finden sich Beispiele aus der Antike wie „Die Würfel sind gefallen“ bis hin zu Modeworten wie etwa „Toyboy“. Aber auch Österreich bezogene, regionale Sprachschätze finden sich in der Auswertung: „Alles was mit dem Kartenspiel Schnapsen zu tun hat: ,das Bummerl haben’ oder ,aus dem Schneider sein’.“

„Spielerische WortSchätze“ ist Teil des Großprojektes „Deutsche WortSchätze“, das seit dem Jahr 2004 laufend Diplomarbeiten zu unterschiedlichen Bereichen wie Ernährung, Musik oder Religion ermöglicht hat. Initiator Wernfried Hofmeister sieht in diesem Projekt die Möglichkeit, die Gesellschaft in Hinblick auf die korrekte Sprachbild-Verwendung zu sensibilisieren: „Sprachbilder werden oft zu selbstverständlich gebraucht und das Bewusstsein von vor zehn Jahren ist verloren gegangen. Wir liefern mit unserer WortSchätze-Datenbank das Material zum Nachdenken für die offene Gesellschaft.“ In den folgenden Absätzen veröffentlicht zuspieler.de. ausgewählte Spielemetaphern. Die vollständige Erklärung für alle Ausdrücke finden Interessierte in der WortSchätze-Datenbank.


Bauernopfer

Umschreibung: Person, die als vermeintlich niederrangigere zum Vorteil einer oder mehrer höherer Ziele preisgegeben wurde, etwas vermeintlich Niederrangiges, das zur Erreichung eines oder mehrer höherer Ziele fallen gelassen wurde

Historische Analyse: Im Schach wird das absichtliche Schlagenlassen eines Bauerns, durch das eine angestrebte Position auf dem Schachbrett erreicht werden soll, als Bauernopfer bezeichnet. Durch die geringe Wertigkeit dieser Spielfigur ist sein Verlust für einen Spieler leicht verschmerzbar. Motivierend wirkte hier daher das Moment des in Kauf genommenen Verlusts.


Blinde Kuh

Umschreibung: 1. bewusste Irreführung. 2. etwas nicht wahrnehmen oder wahrnehmen wollen.

Historische Analyse: Die erste übertragene Bedeutungsvariante bezieht sich auf die Zurufe der Spieler: Mit „heiß“ oder „kalt“ lotsen sie den, der als Blinde Kuh spielt und somit nichts sehen kann, in die richtige oder mit böser Absicht in die falsche Richtung. Sie können den herumtapsenden Spieler, der selbst nicht beurteilen kann, ob er sich dem Ziel nähert oder nicht, bewusst in die Irre führen: Dieses Moment der bewussten Irreführung wirkte hier motivierend, bei der zweiten übertragenen Bedeutung das der absichtlich verdeckten Augen.


Bei jemandem einen Stein im Brett haben

Umschreibung: jemandes besondere Gunst genießen, bei jemandem (große) Sympathien genießen, gut bei ihm angeschrieben sein, sein Wohlwollen genießen, bevorzugt werden, bei jemandem viel gelten

Historische Analyse: Der Phraseologismus bezieht sich auf das Tricktrackspiel, bei dem es darauf ankommt, die Spielsteine gut auf dem Brett zu platzieren. Die übertragene Bedeutung ergibt sich durch den Effekt, den man so beim Gegner erreicht: Anerkennung durch einen geschickten Spielzug. Das Moment des Ansehens wirkte daher hier motivierend. Entstehungszeit: erster Beleg 1529 bei Joh. Agricola, seit dem 16. Jarhhundert


Dominoeffekt

Umschreibung: durch ein Ereignis ausgelöste Folge von weiteren gleichartigen oder ähnlichen Ereignissen

Historische Analyse: Der metaphorische Ausdruck bezieht sich auf das Fallen von Dominosteinen: Sind diese in einer Reihe hintereinander aufgestellt und wird der erste angestoßen, so bewirkt er das Fallen der übrigen. Das Moment der Kettenreaktion motivierte daher die übertragene Bedeutung.


Keinen Blumentopf gewinnen

Umschreibung: mit etwas hat man keinen Erfolg, kann man nichts erreichen

Historische Analyse: In vollständiger Form lautet der aus Berlin stammende Phraseologismus „Damit kannste bei mir keen Blumentopp gewinnen und wenn du 19 truddelst („würfeln“)“. Der Bezug zum Würfeln ist so klar ersichtlich: An Jahrmarktbuden konnten bei Würfelspielen Blumentöpfe gewonnen werden. Es unwahrscheinlich, dass die Wendung vom Renommierblumenstrauß, der zum Beispiel Künstlern auf der Bühne überreicht wird, herrührt


Abgekartet Spiel

Umschreibung: etwas wurde zum Nachteil eines Dritten heimlich verabredet

Historische Analyse: Bei „abgekartet“ handelt es sich um das Partizip II von „abkarten“, das „zum Nachteil eines anderen verabreden“ bedeutet. Es wird als attributives Adjektiv gebraucht, um etwas als „in betrügerischer Weise abgesprochen“ zu kennzeichnen. Die ursprüngliche Semantik des Verbs umfasst nur das Einsehen der Karten nach heimlicher Verabredung beziehungsweise das betrügerische Mischen zum Schaden eines Mitspielers (wobei auch hier der Aspekt der Absprache mitschwingt): Das Moment der Absprache zum Nachteil eines Dritten motivierte die übertragene Bedeutung. Entstehungszeit: 18. Jahrhundert


Eine ruhige Kugel schieben

Umschreibung: sich bei der Arbeit nicht sehr anstrengen, keine anstrengende Arbeit haben; sich (bei der Arbeit) nicht sonderlich anstrengen müssen; sich nicht sonderlich anstrengen müssen, leichte Arbeit zu verrichten haben, sorglos leben; bequemen Dienst haben, sich nicht anzustrengen brauchen, sorglos leben können

Historische Analyse: Der Ursprung des Phraseologismus liegt im Kegelspiel. Motivierend wirkte das Moment der Mühelosigkeit: Auf den glatten Kegelbahnen kann eine Kugel leicht ins Rollen gebracht werden. Entstehungszeit: 1920


Jemandem Paroli bieten

Umschreibung: jemandem, einer Sache gleich Starkes entgegenzusetzen haben und damit Einhalt gebieten, wirksam Widerstand leisten; jemandem, einer Sache wirksam entgegentreten; ihm in überbietender Weise entgegentreten, es ihm mit derberer Münze heimzahlen; sich zur Wehr setzen

Historische Analyse: Frz. „Paroli“ bedeutet eigentlich ‚das Doppelte des ersten Einsatzes im Kartenspiel‘. Die übertragene Bedeutung wurde durch das Moment des Entgegen- bzw. Mithaltens (im konkreten Falle im Spiel mit dem verdoppelten Einsatz) motiviert. Abseits dieses Phraseologismus kommt das Wort nicht vor. Entstehungszeit: Anfang des 19. Jahrhunderts.


Global Player

Umschreibung: global agierende/r Konzern/Organisation, Multi

Historische Analyse: Der Phraseologismus stammt ursprünglich aus dem Englischen und meint dort ebenfalls Unternehmen, die am weltweiten Wettbewerb teilnehmen, oder Organisationen, die global agieren. Motivierend für diese übertragene Bedeutung von Global Player wirkte das Moment der Beteiligung (im konkreten Fall an einem Spiel): Wie ein Spieler an einem Spiel teilnimmt, so ist ein „Global Player“ am Weltmarkt beteiligt: Dieser Aspekt wird durch das attributive Adjektiv „global“ ausgedrückt.


Aus dem Schneider sein

Umschreibung: eine schwierige Situation überwunden haben; das Schlimmste überstanden haben

Historische Analyse: Der Phraseologismus bezieht sich auf Kartenspiele: Beim Schnapsen ist ein Spieler dann „aus dem Schneider“, wenn er mindestens eine der Partien gewonnen hat, beim Skat dann, wenn er über 30, also mindestens 31 Punkte erreicht hat. Nach Röhrich könnte der Phraseologismus seinen Ursprung aber auch in einem alten studentischen Trinkspiel („Lustig, meine Sieben“) haben: Wer unter 30 Punkten blieb, auf dessen Platz wurde eine Schere gemalt und er musste als Strafe die doppelte Menge Bier trinken. Erreichte man allerdings einundreißig, so war man „aus dem Schneider“. In beiden Fällen motivierte die übertragene Bedeutung das Moment der Überwindung einer schwierigen Situation. Ursprünglich bezog sich der Phraseologismus darauf, dass früher gespottet wurde, ein Schneider wiege nicht mehr als dreißig Lot (525 Gramm nach dem österreichischen Lot [17,5 Gramm]). Angespielt wurde auf deren schlechte soziale Lage.


Die Würfel sind gefallen

Umschreibung: die Entscheidung ist gefallen; eine Entscheidung wurde getroffen (jetzt gibt es kein Zurück mehr); der Entschluß [sic!] ist gefaßt [sic!], die Entscheidung ist endgültig.

Historische Analyse: Die Überschreitung des Rubikons, der die Grenze zwischen der Provinz Gallia Cisalpina und Italien (das zu dieser Zeit noch keine Provinz war) darstellte, die Caesar am 10./11.1.49 vor Christus. Mit bewaffneten Truppen, die er trotz Aufforderung durch den Senat nicht entlassen wollte, unternahm, läutete den Bürgerkrieg gegen Pompeius ein. Bei der Überquerung des Flusses soll Caesar – wie Plutarch berichtet – Menander zitiert haben – als gebildeter Römer natürlich in griechischer Sprache: anerriphtho kybos (ἀνερρίφθω κύβος). Die deutsche Übersetzung „Der Würfel ist gefallen“ (bzw. die geläufigere, die aus einem Würfel mehrere macht: „Die Würfel sind gefallen“) entspricht weder der historischen Situation noch dem griechischen Text: Caesar wollte den Augenblick des Wagnisses bezeichnen und griff deshalb auf Menander zurück. Bei ἀνερρίφθω handelt es sich um eine Imperativform, die richtige Übersetzung wäre daher: „Der Würfel sei hochgeworfen [und das Wagnis beginne]“. Die lateinische Variante der Zitats findet sich zuerst bei Sueton, der sie mit alea iacta est übersetzte und somit eine Imperativform durch eine Partizipialkonstruktion austauschte, womit er die eigentlich – bezogen auf den griechischen Urtext – falsche Tradierung des Zitats in Gang setzte. Caesar selbst erwähnt diese Episode in seinem Bellum civile übrigens nicht. Menander benützte das Bild des Würfels, der hochgeworfen wird und bei dem noch offen ist, welche Augenzahl obenauf sein wird, um auszudrücken, dass etwas in Gang gesetzt werden würde, dessen Ergebnis nicht vorhersehbar sein werde: Daher bediente sich Caesar wohl dieses Zitats, um seine – aus Sicht des Senats ungeheuerliche – Tat zu beschreiben. Suetons Variante und deren deutsche Übersetzung (ob nun fälschlicherweise im Plural oder nicht) zielen auf eine andere Semantik: Der Würfel ist gefallen, eine Augenzahl ist obenauf und nicht mehr zu ändern. Im übertragenen Sinne wird so ausgedrückt, dass etwas begonnen wurde, das nicht mehr rückgängig gemacht werden könne, da der point of no return bereits erreicht wurde.

Mehr verspielte Sprüche und Zitate findet ihr auf unser Spielezitate-Seite.

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