Malefiz. Foto: Ravensburger

Malefiz: 50 Jahre Blockadepolitik

Das Brettspiel Malefiz verwandelt friedfertige Zeitgenossen in hinterhältige Banditen. Auf dem gemeinsam benutzten Parcours blockieren sie voller Schadenfreude andere Personen am Tisch, was das Zeug hält, . Das ist ein Grund, warum das Brettspiel 50 Jahre nach Erscheinen noch immer so beliebt ist. Ein Rückblick auf die Entstehungsgeschichte, einen Bäcker, ein tiefes Dekolleté und eine spielerische Erfolgsgeschichte.


Der Artikel erschien erstmals 2010 auf zuspieler.de.

Erwin Glonegger, der Grandseigneur des Brettspiels, war 35 Jahr lang Programmleiter bei Ravensburger. Im Jahr 1960 erhielt er Post von Werner Schöppner. Der 26 Jahre alte Angestellte einer Großbäckerei hatte 1959 das Spiel Der rote Stopper entwickelt und drei Verlagen angeboten. Der Otto Maier Verlag Ravensburg antwortete als einziger positiv und schlug Schöppner vor, ein Spielbrett als Muster einzuschicken.

Im O-Ton erinnert Glonegger sich an den Erfinder von Malefiz.

Malefiz statt Roter Stopper

Der Bäcker Schöppner war bei Glonegger an der richtigen Adresse. Er erkannte er, wie viel Spannung in dem Brettspiel stecken. Nur mit dem Namen Der rote Stopper war er nicht ganz glücklich. Die zündende Idee kam von der Familie des damaligen Firmenleiters Karl Maier.

Erwin Glonegger über den Namen Malefiz.

Malefiz ist ein altes Wort, das man heute kaum mehr hört. Ein Malefiz ist jemand, der es mit kleineren Verbrechen, Missetaten oder Verfehlungen nicht so genau nimmt. Im Lateinischen bedeutet maleficus laut Wikipedia boshaft, übel handelnd und/oder gottlos. Maleficium steht für Frevel, Verbrechen oder wenn man es wörtlich übersetzt für schlechte Tat.

Spannung durch Sperren

Malefiz. Foto: Ravensburger
Malefiz-Spielbrett. Foto: Ravensburger

Malefiz geht auf das alte indische Spiel Pachisi zurück: Spielerinnen und Spieler würfeln und bewegen ihr Figuren Richtung Ziel, wobei sie sich gegenseitig hinauswerfen können. „Allerdings fährt und schlägt man nicht nur in eine Richtung, sondern belieb nach allen Seiten; es genügt außerdem mit einer einzigen Figur das Zielfeld zu erreichen. Entscheidend aber für den besonderen Spannungsreiz dieses Spiels ist die Idee der Sperren (Barrikaden), die Fantasie, Geschicklichkeit, strategisches und taktisches Können der Spieler herausfordert“, schreibt Glonnegger in „Das Spielebuch“. Und weiter heißt es darin. „Mit seiner Idee hatte er [der Autor Werner Schöppner] nach den Worten des Spiele-Experten Eugen Oker ,aus Parchisi [sic] das Beste gemacht.“

Das Spiel, bei dem man für eine kurze Zeit mal genau so jemand sein darf, ging nach Verlagsangaben seither bis heute fünf Millionen Mal über die Ladentheke. Spielforscher Professor Rainer Buland von der Universität Mozarteum Salzburg erklärt den Erfolg und Reiz des Spiels mit der „Schadenfreude, die jeder an sich beobachten kann, wenn es darum geht, dem anderen ein Haxl zu stellen“. „Wir dürfen das und es hat keine schwerwiegenden Folgen.“ Das Familienspiel sei „der einzige Ort, an dem sich Eltern und Kinder auf Augenhöhe begegnen können“. Die Kinder genießen Buland zufolge „innerhalb der Spielregeln dieselben Freiheiten wie die Erwachsenen, und sie haben die gleichen Chancen auf den Sieg“.

Anstößige Schachtelgestaltung

Malefiz. Foto: Ravensburger
Malefiz-Cover. Foto: Ravensburger

Ein solch streitbares Spiel brauchte eine passende Titelgestaltung. Der niederländische Grafiker Jan van Heusden entwarf vor 50 Jahren ein Bild, das damals viele Betrachter schockierte: ein Räuber mit Pistole, schwarzem Hut, grimmigem Blick und einem gezwirbelten Schnauzbart; an seiner Seite jene Dame mit dem – für frühere Verhältnisse – tiefen Dekolleté; ein rauschebärtiger Professor mit Brille und seine brave Enkelin – das ging vielen zu weit. Das Bild hat bis heute seinen Reiz behalten. „Es verbindet Dramatik, künstlerische Qualität und signalisiert die wichtigsten Produktinformationen: spannend, interessant, geeignet für vier Personen jeden Alters und Geschlechts“, sagt Glonnegger.

Erwin Glonegger über die Schachtelgestaltung von Malefiz

Die erste Ausgabe von Malefiz war sofort ausverkauft. Malefiz wurde schnell zum modernen Klassiker und aufgrund des Erfolgs auch mehrfach kopiert. Das Spiel erfuhr mehrere Neuauflagen, zum Teil als Werbespiel Kistomania für eine Getränkefirma oder mit aufwändigem Holzbrett. Lizenzausgaben erschienen in den USA unter dem Titel Obstruction, in den Niederlanden, in Schweden und Frankreich unter dem Namen Barricade. Zeitweise waren auch Abwandlungen erhältlich, die mehr Spieler zuließen.

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