La Famiglia

La Famiglia: Mafia-Brettspiel sorgt für Empörung in Italien

Das Brettspiel „La Famiglia – The Great Mafia War“ hat in Italien eine heftige Debatte ausgelöst. Kritikerinnen und Kritiker werfen dem Autor Maximilian Maria Thiel Geschichtsverzerrung und Pietätlosigkeit vor.


La Famiglia – The Great Mafia War
In La Famiglia kämpfen zwei Teams als Mafiafamilien um die Kontrolle über Sizilien. Die Spielrunden sind in zwei Phasen unterteilt: In der Planungsphase entwickeln die Teams ihre Fähigkeiten und setzen Kämpfer sowie geheime Befehle aufs Spielfeld. In der Kampfphase werden die Befehle aufgedeckt und ausgeführt.

Das Brettspiel ist für exakt vier Personen ab 16 Jahren. Eine Partie dauert 120 bis 180 Minuten. Die deutsche Erstauflage erschien 2023 bei Feuerland Spiele. Inzwischen verlegt der Autor Maximilian Maria Thiel das Spiel in seinem Eigenverlag Boardgame Atelier.

Die Brettspielszene ist begeister von La Famiglia – The Great Mafia War. Auf Boardgamegeek haben es mehr als 1.200 Nutzerinnen und Nutzer mit einer Durchschnittsnote von 8,0 bewertet. Das steht für ein „sehr gutes Spiel“.  Im vergangenen Jahr wurde es mit dem französischen Spielepreis As d’Or ausgezeichnet. In Italien löste das Spiel dagegen Anfang 2025 nach dem Erscheinen einer lokalisierten Version eine Welle der Empörung aus.

Der Grund: La Famiglia basiert auf den Mafiakriegen der 1980er Jahre in Sizilien. In dem strategischen Teamspiel versuchen zwei Gruppen, durch geschickte Planung und Kämpfe Gebiete zu erobern. Dabei kommen Schrotflinten und Bomben zum Einsatz.

„Spiel beleidigt Würde der Sizilianer“

Maria Falcone, die Schwester des 1992 von der Mafia ermordeten Anti-Mafia-Richters Giovanni Falcone, reagierte entsetzt. Gegenüber der italienischen Zeitung Corriere della Sera sagte sie: „Ich verstehe nicht, wie jemand auf die Idee kommen konnte, ein solches Spiel zu entwickeln. Es spielt mit den Gefühlen derer, die ihr Leben im Dienste des Staates verloren haben. Die Mafia hat in Sizilien und in Italien nur den Tod gebracht. Der Gedanke an ein solches Spiel beleidigt das Andenken all jener Menschen, die dazu beigetragen haben, dieses Land [vom organisierten Verbrechen] zu befreien.“

Der sizilianische Politiker Alessandro De Leo von der Partei Forza Italia forderte ein Verbot des Spiels. In einem offenen Brief an den Regionalpräsidenten Renato Schifani schrieb er laut Corriere della Sera: „Dieses Produkt beleidigt nicht nur die Würde der Sizilianer, sondern entwertet das tägliche Engagement von Millionen von Bürgern, die in unserer Region für Legalität und Gerechtigkeit kämpfen.“ Er fordert dazu auf, „alle möglichen Maßnahmen zu prüfen, um der Verbreitung dieses Spiels entgegenzuwirken“.

Begleitheft soll in Zukunft über Hintergründe informieren

Gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) erklärte der deutsche Autor Maximilian Maria Thiel, , er habe selbst lange in Italien gelebt und sei dem Land sehr verbunden. Er habe deshalb für das Spiel die Cosa Nostra gewählt. Ursprünglich sei auch ein Begleitheft geplant gewesen, das die Hintergründe erläutere. Man wollen dafür sorgen, dass dieses allen Neuauflagen beigefügt werde. „Es tut mir sehr leid, wenn Menschen durch das Spiel sich verletzt fühlen. Das war und ist nie meine Intention gewesen.“

In einem Interview mit Spiegel Online sagte Thiel: „Ich verstehe die Kritik von Falcone, sie ist persönlich betroffen. Das tut mir sehr leid. Aber ich sehe in der Debatte, dass nicht unterschieden wird zwischen dem internen Mafia-Kampf, bei dem es ausschließlich um die Vorherrschaft geht, und den politischen Morden der Mafia, die sich gegen diejenigen richtet, die sich offen gegen die Mafia stellen. Der politische Mord an Falcone hat überhaupt nichts mit den Morden zwischen den Mafiosi zu tun, an denen sich mein Spiel orientiert.“ Thiel betont zudem die Abstraktheit des Spiels: Statt realistisch dargestellter Figuren kämen neutrale Holzklötze zum Einsatz. Außerdem gäbe es mehr als 500 Mafia- und knapp 25.000 Kriegs-Brettspiele, ein Großteil davon sei in der Aufmachung viel martialischer.

La Famiglia. Foto: Daniel Thurot, CC BY-SA 3.0

Wie realitätsnah dürfen Spiele sein?

Die Kontroverse um La Famiglia wirft grundsätzliche Fragen auf. Die Antworten darauf sind nie endgültig, sondern müssen immer wieder neu verhandelt werden.

Wie realistisch dürfen Spiele sein? Dürfen oder sollten sie bestimmte Themen nur auf eine spezielle Weise behandeln? Wenn ja, welche Themen sind das: Krieg, Gewalt, Depression, Armut? Wie sollen Spiele diese Themen behandeln: aufklärend, sensibel oder schockierend? Und wer entscheidet, wie welche Themen umgesetzt werden?

Ob La Famiglia in Italien weiterhin erhältlich sein wird oder nicht, bleibt abzuwarten. Fest steht schon jetzt: La Famiglia zeigt erneut, dass Spiele mehr sind als ein belangloser Zeitvertreib. Sie sind ein Kulturgut wie Bücher oder Filme. Spiele machen Geschichte erlebbar. Sie greifen Themen auf und stoßen Debatten an. Das macht sie zu einem wichtigen Bestandteil der kulturellen Auseinandersetzung.

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