Make Fake News Great Again

„Das Spiel ,Make Fake News Great Again‘ ist eine Gefahr für die Demokratie“

Desinformationen zerstören Demokratien. Das gilt auch für „Make Fake News Great Again“. Das Gesellschaftspiel macht sich über ein ernstes Thema unreflektiert lustig. Das ist alles andere als witzig. Ein Kommentar.


Donald Trump und Pinocchio haben eins gemeinsam: Sie lügen. Die Kinderbuchfigur Pinocchio wie gedruckt, Trump wie getweetet. Pinocchio belügt eine Fee, Trump die ganze Welt. Der Präsident der Vereinigten Staaten verbreitet nicht nur Unwahrheiten, sondern beschimpft auch Journalisten und nennt Tatsachen, die ihm nicht gefallen, Fake News.

Undifferenzierte Medienschelte gibt es auch in Deutschland. Lügenpresse war bereits 2014 das Unwort des Jahres. Damals schrieben Zeitungen nicht über Corona, sondern über Geflüchtete. Die Jury betonte in ihrer Urteilsbegründung, dass mit dem Ausdruck Medien pauschal diffamiert würden. „Eine solche pauschale Verurteilung verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit“, schrieb die Jury.

Fake News sind ein Teekesselchen

Ähnlich wie das Unwort Lügenpresse bedrohen auch Fake News unsere Demokratie. Der Begriff ist ein Teekesselchen, also ein Begriff mit zwei Bedeutungen. Anders als ein Tasse Tee trägt er garantiert nicht zur Entspannung bei. Vereinfacht gesagt sind Fake News einerseits nichts anderes als Falschmeldungen. Ob beabsichtigt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Andererseits sind Fake News ein Schimpfwort. Politiker verwenden es, wenn sie Tatsachen, die ihnen nicht gefallen, diskreditieren wollen.

Da der Begriff mehrere Bedeutungen hat, sprechen seriöse Wissenschaftler und Journalisten nicht von Fake News, sondern von Desinformation. Das Recherchezentrum Correctiv warnt: „Gezielte Desinformation wird genutzt, um unsere Gesellschaft zu spalten, Hass zu verbreiten oder Geschäfte zu betreiben.“ Laut der Bundeszentrale für politische Bildung habe Desinformation das Ziel, innerhalb von Gesellschaften geltende Wahrheiten und Glaubenssätze zu (zer)stören. „Oftmals ist es das Ziel, die Legitimität von Institutionen oder Personen zu untergraben, die insbesondere in mehrheitsbasierten, demokratischen Herrschaftssystemen von zentraler Bedeutung sind“, heißt es weiter. 

„Öffne die Büchse der Pandora“

Desinformation kann man heute nur noch schwer entkommen. Das weiß auch Huch und spricht im Werbetext zu „Make Fake News Great Again“ von einem „allgegenwärtigen Thema“. Spieler sollen „die Büchse der Pandora öffnen und Mitspielern die nackte Wahrheit servieren“. Bei dem simplen Kommunikationsspiel denken sich mindestens vier Personen ab 16 Jahre Fake News aus. Jede Person am Tisch wählt dazu eine Karte. Ein Geschichtenerzähler erfindet mit Begriffen und Bildern auf den Karten Fake News. Mehr Details zum Ablauf in meinem SpieLama-Video ab Sekunde 45.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Huch schwärmt von einer „frechen Umsetzung“, die „jede Stimmung lockert“. Frech an dem Spiel ist allerdings nur, wie es das Vertrauen in die Medien und damit auch in unsere Demokratie zerstört. Das Spiel macht sich über ein ernstes Thema unreflektiert lustig. Das ist nicht witzig, sondern trägt auch dazu bei, dass Menschen Fake News als selbstverständlich ansehen. Das sind sie aber nicht.

„Bei Fake News gibt es nie Gewinner“

Wer daran zweifelt, dass ein Spiel eine demokratiezerstörende Wirkung haben kann, dem sei der Artikel auf kulturexpresso.de, empfohlen. Das laut Selbstauskunft „deutschsprachiges Kulturmagazin im Weltnetz“ rezensiert „Make Fake News Great Again“ und setzt dabei – wie (un)passend – ganz auf Desinformation. Zitat aus dem Text: „Das Spiel endet, wenn ein Spieler fünf Loser-Karten vor sich liegen hat. Er hat das Spiel verloren und muss am Ende aus all seinen Loser-Karten die ultimative Fake News Story stricken! Vor allem der Lücken- und Lügenpresse sollte dies geübt und flüssig sowie ohne Schamesröte über die Lippen gehen. Bei ARD, ZDF und Deutschlandfunk, aber auch bei den Medien der Bourgeoisie darf ,Make Fake News Great Again‘ nicht fehlen.“ Eine Spielerezension, die seriöse Medien mit Schimpfwörtern diskreditieren will? Das gab es bisher ebensowenig wie einen US-Präsidenten, der am laufenden Band lügt.

Und es kommt noch schlimmer: Fake News führen zu falschen Erinnerungen. Zu diesem Schluss kommen Forscher des University College Cork und der University of California nach einem Experiment, das sie 2018 durchgeführt haben. Was passiert also, wenn Spieler Fake News mit den Karten Wutbürger, Quarantäne und Wahlbetrug erfinden, die sich in ihren Gehirnen festsetzen?

Frech ist auch, dass Spielerinnen und Spieler in der Anleitung von „Make Fake News Great Again“ keine weiterführenden Informationen finden. Es gibt weder Hinweise zu den Gefahren von Fake News, noch Tipps, woran Mann und Frau diese erkennen kann. Immerhin sammeln wir keine Siegpunkte, sondern Loser-Karten. Wer die wenigsten Karten besitzt, gewinnt. Zitat aus der Anleitung: „Aber seien wir mal ehrlich: Bei Fake News gibt es nie Gewinner. Bei Fake News gibt es immer nur Verlierer.“ Die Sätze zeigen: Der Verlag hat das Problem erkannt, das Spiel aber trotzdem veröffentlicht. Das ist fahrlässig.

Diskussionen über relevante Themen

Make Fake News Great Again. Foto: Huch
Make Fake News Great Again. Foto: Huch

Trotz aller Kritik gibt es wenigstens eine Sache, die „Make Fake News Great Again“ richtig macht, wenn auch vermutlich unbeabsichtigt. Es zeigt, dass auch Spiele Diskussionen über relevante Themen auslösen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um Fake News, den Klimawandel oder Gewalt gegen Kinder geht. Wie letzteres gelingen kann, zeigte Pegasus mit dem Gewaltpräventionsspiel „Sei stark, Sag nein“.

Autoren und Verlage müssen relevante Themen in Spielen weder sensibel noch reflektiert umsetzen. Aber Rezensenten müssen unsensible oder unreflektierte Umsetzungen wie „Make Fake News Great Again“ kritisch hinterfragen. Wenn Verlage sich dieser Kritik stellen, stellen sie sich auch einer wichtigen, für sie eventuell unbequemen, Diskussion. Das reicht heutzutage schon, um moralisch integrer zu handeln als der Präsident der Vereinigten Staaten. Das würde wahrscheinlich selbst Pinocchio kaum glauben, ist aber leider wahr.

Wir rechnen mit einem gesunden Menschenverstand unserer Kunden“
Drei Fragen an Andrea Stadler, Pressesprecherin Huch! und Hutter Trade

Wie ist „Make Fake News Great again“ entstanden?
Wir haben im Frühjahr das Spiel „What Do You Meme?“ veröffentlicht und wurden von der Nachfrage geradezu überrannt. Daraufhin haben wir beschlossen, ein weiteres Partyspielpiel ins Programm aufzunehmen. Erst mal war also die Idee da, wie sich das Spiel zusammensetzen soll. Wenn es an die Recherche zu Thema und geht, bezieht unsere Redaktion natürlich auch aktuelle Trends mit ein und stieß recht schnell auf das Thema „Fake News“ Während sich das Produkt weiter entwickelt hat, stellten wir immer mehr fest, dass der Titel perfekt zum Thema passt: Verschiedene Begriffe zusammenwerfen und zack, hat man eine Schlagzeile. Daher haben wir die Richtung weiterverfolgt. Das Geschichten erfinden und bewerten, was falsch ist, oder lustig ist, macht bei diesem Spiel sehr viel Spaß. Und führt zu viel Kommunikation unter den Spielern.

Fake News gefährden die Demokratie. Ist ein Spiel, das Fake News als etwas Lustiges und Normales darstellt damit auch demokratiegefährdend?
Der Begriff „Fake News“ ist heutzutage (leider) keine ungewöhnliche Bezeichnung mehr. Wir rechnen jedoch mit einem gesunden Menschenverstand unserer Kunden und gehen davon aus, dass sie ein Spiel mit diesem Thema, auch durch die weitere Einbettung mit „Make … Great Again“ als eine Satire verstehen und es nicht als Verniedlichung sehen. Darüber hinaus sehen wir die Möglichkeit, spielerisch den Sinn zu schärfen, wie schnell eine Schlagzeile entstehen kann. Das Spiel lebt von Kreativität und Kommunikation und verleitet ebenso dazu, das Thema kritisch zu hinterfragen.

In der Anleitung findet sich der Hinweis: „Bei Fake News gibt es nie Gewinner. Bei Fake News gibt es immer nur Verlierer.“ Warum gibt es keine weiterführenden Hinweise auf Fake News?
Natürlich hätten wir weiterführende Hinweise zum Thema integrieren können. Allerdings stellt sich dann schnell die Frage, wo fängt man an und wo hört man auf? Für uns steht bei unseren Produkten der Spielspaß im Vordergrund, daher haben wir von Informationen zur Begrifflichkeit abgesehen.

„Fake News sind ein Kampfbegriff von rechten Randgruppen, Aluhüten und Verschwörungstheoretikern“
Drei Fragen an Hendrik Zörner, Pressesprecher Deutscher Journalisten-Verband (DJV)

Fake News gefährden die Demokratie. Ist ein Spiel, das Fake News als etwas Lustiges und Normales darstellt auch demokratiegefährdend?
Ob ein solches Spiel gleich demokratiegefährdend ist, lässt sich aus der Theorie heraus nicht beurteilen. Klar ist aber auf jeden Fall, dass Fake News ein Kampfbegriff von rechten Randgruppen, Aluhüten und Verschwörungstheoretikern ist. Darunter sind viele, die die Demokratie ablehnen.

In der Spielanleitung findet sich der Hinweis: „Bei Fake News gibt es nie Gewinner. Bei Fake News gibt es immer nur Verlierer.“ Es gibt jedoch keine weiterführenden Hinweise auf Fake News. Würde der DJV sich solche Hinweise wünschen?
Ja, auf jeden Fall. Selbst der kompetenteste Mediennutzer erkennt nicht immer auf den ersten Blick, ob eine Nachricht vertrauenswürdig oder eine Fälschung ist.

Wie steht der DJV ganz allgemein zu den Begriffen „Fake News“ und „Lügenpresse“?
Wie schon gesagt: Das sind Kampfbegriffe von Randgruppen, die darauf abzielen, den Journalismus und die Medien zu verunglimpfen. Dabei hat doch gerade die Coronakrise gezeigt, wie wichtig journalistisch recherchierte Nachrichten und Berichte sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert