Im „Handbuch Brettspiele“ erklären Expertinnen und Experten wie Spiele entwickelt, produziert und vermarktet werden. Die Herausgeber Jürgen Karla und Christoph Post sprechen im Interview über ihr Herzensprojekt, das Kulturgut Brettspiel und ein beleidigtes Unternehmen.
Handbuch Brettspiele
Das Handbuch Brettspiele – Tätigkeiten und Akteure in der Brettspielbranche ist 2024 bei Springer erschienen. Herausgeber sind Jürgen Karla und Christoph Post. In dem Buch beleuchten Personen aus der Branche in 75 Beiträgen die Brettspielwelt. Das Buch kostet 99 Euro und ist nicht nur für Fachleute interessant, sondern ebenso für Fans, die einen tieferen Einblick ins Hobby gewinnen möchten. Die kostenlose Leseprobe enthält auch das Vorwort, in dem die Herausgeber erläutern, wie das Buch entstand.
Im Handbuch Brettspiele gibt es 75 Artikel zu unterschiedlichen Themen. Welcher ist der spannendste?
Es wäre unfair, einzelne Beiträge oder Autorinnen und Autoren hervorzuheben. Dafür sind alle Beiträge zu interessant. Spannend waren für uns im Lektorat Beiträge zu Themen, mit denen wir sonst wenig Berührungspunkte haben und bei denen der Wissenszuwachs schon beim ersten Lesen groß war.
Nach welchen Kriterien habt ihr die Themen ausgesucht?
Wir sind von der Idee eines Wertschöpfungsnetzwerks ausgegangen. Das ist ein Ansatz aus der Betriebswirtschaftslehre. In unserem Podcast Brettspielbar haben wir im Frühjahr 2021 mit Matthias Nagy den Entstehungsprozess von Brettspielen beleuchtet. In mehreren Episoden haben wir die zeitlich-logische Entstehung eines Brettspiels „abgearbeitet“. Daran haben wir uns auch bei der Gliederung des Buches orientiert. Wie der Untertitel, Tätigkeiten und Akteure, verdeutlicht, sind wir dann ans Buch über die jeweiligen Rollen im Entstehungsprozess und damit verbundene Aufgaben herangegangen. So kamen wir auf knapp 35 Beiträge.
Im finalen Buch gibt es nicht 35, sondern 75 Beiträge: Woher kamen die weiteren Texte?
Jürgen ist mit spielbar.com seit 25 Jahren in der Branche aktiv. Christoph mit brettspielbox.de seit zehn Jahren. Wir haben viele Kontakte, die wir nutzen konnten. Während der Akquise haben wir Geschäftsführungen und Verlagsleitungen kontaktiert und gefragt, ob es bei ihnen Expertinnen und Experten für Themen gibt. Daraus haben sich viele Empfehlungen für Personen und für Themen ergeben, die wir dankbar aufgenommen haben. So sind aus ursprünglich 35 Beiträgen 75 geworden.
War es schwierig, die Autorinnen und Autoren zu motivieren?
Das war am Anfang unsere größte Sorge. Das Schreiben eines Buchbeitrags ist viel Arbeit, die in den meisten Fällen neben dem Tagesgeschäft erledigt werden musste. Und das auf ehrenamtlicher Basis. Der Lohn der Autorinnen und Autoren ist ein gedrucktes Belegexemplar. Wir hoffen, dass das Handbuch Brettspiele oft gekauft und ausgeliehen wird. Dann können die Autorinnen und Autoren über die Ausschüttungen der VG Wort wenigstens einen kleinen, wenn auch erfahrungsgemäß geringen, Erlös erzielen. Letztlich haben wir offene Türen eingerannt und von fast allen Personen eine positive Rückmeldung erhalten. Die Idee, das Wissen der Branche durch Expertinnen und Experten festzuhalten, hat überzeugt.
Die Autorinnen und Autoren haben Fachwissen, sind aber keine gelernten Schreiberinnen und Schreiber …
…umso begeisterter waren wir von der sprachlichen und inhaltlichen Qualität der Texte.
Welche Beiträge haben es nicht ins Buch geschafft?
Zwei Themen hätten wir gerne noch berücksichtigt, aber nach der Zusage haben wir von den Beteiligten nichts mehr gehört, auch auf Nachfrage nicht. Bei 75 Beiträgen ist das eine gute Quote. Einen Beitrag mussten wir ablehnen. Wir hatten mit allen Beteiligten besprochen, dass die Texte sachlich-fachlich formuliert sein sollen. Das wurde in diesem einen Fall jedoch missverstanden und führte zu inhaltsleeren Werbe-Plattitüden für Produkte des Verlags. Wir haben im Lektorat viel investiert, um das zu retten. Das Unternehmen hat die Änderungsvorschläge jedoch brüskiert abgelehnt. Wir haben dorthin keinen Kontakt mehr und sind froh darüber. Wenn man so viel Herzblut und Freizeit in ein Projekt steckt, braucht man keine beleidigenden E-Mails.
Ihr habt auch Artikel geschrieben. Waren das Themen, für die ihr keine Expertinnen und Experten gefunden habt? Oder waren das die Themen, in denen ihr Experten seid?
Letzteres; Einige unserer Beiträge basierten auf Interviews, die wir in Textform gebracht haben. Bei anderen hatten wir persönliche fachliche Interessen. Beim Thema Geld wollte niemand aus der Branche namentlich Auskunft geben. Also haben wir recherchiert und aus vielen Gesprächen eine Quintessenz gezogen. Zudem haben wir übergreifende Beiträge geschrieben.
Die Herausgeber
Professor Dr. habil. Jürgen Karla ist Inhaber einer Professur für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Niederrhein. Dort forscht und lehrt er zu den Themenfeldern Social Media, Digital Technologies und Digitale Ethik. Seine Leidenschaft gilt seit 1997 dem Brettspiel. Seit 2000 betreibt er die Webseite spielbar.com. Dort hat er auch den Podcast Brettspielradio gestartet. Seit 2018 betreibt er mit Christoph Post zusätzlich den Podcast Brettspielbar. In diesem Kontext ist auch die Idee fürs Handbuch Brettspiele entstanden. Karla ist Mitglied des beeple Brettspiel-Blogger-Netzwerks und war Mitglied der Jury für die Auszeichnung innoSPIEL.
Christoph Post ist seit einigen Jahren als Business und Agile Coach mit Fokus schärfen in Bonn selbständig und unterstützt Führungskräfte und Selbständige im Rahmen von Coaching, Mentoring und Trainings. Im Rahmen seiner Begleitung in der Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung nutzt er unter anderem Gamification-Ansätze. Zuvor war er viele Jahre Führungskraft und Geschäftsführer in einem DAX-Konzern. Seit 2014 betreibt Post die Webseite brettspielbox.de und den gleichnamigen YouTube-Kanal mit Spielebesprechungen, News aus der Szene und Messevorschauen. Er ist Mitbegründer des beeple Brettspiel-Blogger-Netzwerks. Zusammen mit Jürgen Karla betreibt er den Podcast Brettspielbar, aus dem die Idee fürs Handbuch Brettspiele hervorgegangen ist.
Gab es redaktionelle oder technische Vorgaben?
Wir hätten uns konkrete Vorgaben und Formatvorlagen vom Verlag gewünscht. Wir haben in den ersten Gesprächen konkret danach gefragt. Vielleicht hätten wir vorsichtiger reagieren sollen, als es hieß: Kein Problem. Schreiben Sie einfach in ein Dokument, um alles andere kümmert sich der Verlag später. Die Anforderungen kamen als 70 Prozent der Beiträge fertig waren. Also mussten alle nochmal an die Texte. Das war leider eine ineffizienter Prozess.
Worauf habt ihr beim Lektorat geachtet?
Beim Lektorat haben uns Alexandra Hurajt und Carina Brachter unterstützt. Die Arbeit hat viel Spaß gemacht, weil die Beiträge schon gut waren als wir sie erhalten haben. Alle Beiträge sind double-peer-reviewed. Das heißt, jeder Beitrag wurde von zwei Personen lektoriert. Dabei haben wir auf inklusive Sprache geachtet, was kein Problem war und kaum Aufwand bereitete. Wir haben Fachbegriffe vereinheitlicht (zum Beispiel Pöppel, Meeple, Spielfigur) und das Layout angeglichen.
Wie seid ihr auf den Verlag Springer Nature gekommen?
Es sollte auf jeden Fall ein Wissenschaftsverlag sein, denn beim Buch stand für uns die Positionierung des Brettspiels als Kulturgut im Vordergrund. Um Brettspiele so zu positionieren, müssen wir wissenschaftlich publizieren. Jürgen hatte in den Springer Wissenschaftsverlagen schon andere Bücher veröffentlicht, daher waren die Wege kurz.
War es schwierig, den Verlag vom Buch zu überzeugen?
Springer Nature konnte das Handbuch Brettspiele zunächst nicht einordnen. Es bewegt sich an der Grenze zwischen Sach- und Fachbuch. In der Runde der Lektoratsleitenden konnten wir aber mit Thema und Engagement punkten. Dass das Buch den Sprung in die „Reference Book“-Reihe geschafft hat, ist fantastisch. Die Reihe hat einen guten Ruf.
Welche Aufgaben übernahm der Verlag?
Springer Nature hat den Satz übernommen und sich um Formalitäten wie ISBN-Nummer sowie den Vertrieb gekümmert. Unsere Hauptansprechpersonen saßen in Indien, wo Springer Nature die gesamten Themen rund um Satz und Projektmanagement betreibt.
Das gedruckte Buch wird 99 Euro kosten. Wer hat den Preis festgelegt?
Wir hatten keinen Einfluss auf den Preis. Alle Bücher in der „Reference Book“-Reihe kosten 99 Euro. Hätten wir uns für eine weniger renommierte Reihe entschieden, wäre vielleicht ein Preis von 79 Euro möglich gewesen. Aber dann hätte das Buch im Marketingkonzept des Verlages eine niedrigere Priorität gehabt.
Was verdient ihr an dem Buch?
Ruhm und Ehre, wenn alles gut läuft: Reich wird man mit solchen Büchern nicht. Geld war für uns nie ein Thema, da es sich um ein Herzensprojekt handelt und wir die Inhalte aus der Podcastreihe verschriftlichen wollten.
Wie hoch ist die Startauflage?
Es gibt keine fest Startauflage. Das Handbuch Brettspiele wird wie fast alle Fachbücher im Wesentlichen nach Bedarf (On-Demand) gedruckt. Der Markt hat sich massiv verändert: Von Jürgens Buch „Grundkurs Mobilfunk“ sind von Herbst 2022 bis Anfang 2024 drei gedruckte und 11.000 digitale Exemplare verkauft worden. Schön ist, dass das Buch in der „Reference Book“-Reihe angesiedelt ist. Diese wird öfters auch von Buchhändlern als Gesamtpaket für die Präsentation im Laden gekauft.
Wo bekomme ich das Buch?
Das Buch ist vor Ort im Buchhandel sowie online verfügbar. Es wird sowohl in gedruckter als auch in digitaler Form vermarktet. Die ISBN des Buches lautet 978-3-662-68338-5, die des eBooks 978-3-662-68339-2.
Wie geht es weiter? Arbeitet ihr schon an einem Brettspielhandbuch II?
Es wird weitergehen. Vielleicht in Buchform, ganz sicher aber in Form des Brettspielbar-Podcasts.