25. November 2024

Bernward Thole: Umrisse einer Spielekritik

„Spielekritik muss ihr Selbstverständnis neu überdenken“, forderte Bernward Thole 1992 in seinem Artikel „Umrisse einer Spielekritik“. Tholes Kritik an der Spielekritik wird noch heute zitiert und diskutiert. Wir dokumentieren den Originaltext.


Dossier Spielejournalismus
Dieser Beitrag gehört zum Dossier Spielejournalismus. In dem Dossier dokumentieren wir ausgewählte Ereignisse, Beiträge und Diskussion aus der Geschichte des Spielejournalismus.

Bernward Thole
Bernward Thole wurde 1936 geboren. Er war Medienwissenschaftler, Spielekritiker sowie Gründer und Leiter des Deutschen Spiele-Archivs. Er war Gründungsmitglied der Jury Spiel des Jahres. Von 1978 bis 1994 war er 1. Vorsitzender des Vereins, und von 1994 bis 2000 stellvertretender Vorsitzender. Mit der Spielekritik begann er 1973 in der Zeit: danach schrieb er Spielekolumnen unter anderem für die Frankfurter Rundschau, die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine und die Oberhessische Presse. Thole starb 2023. Unser Interview mit Thole findet ihr hier.

Inhaltsverzeichnis

1. Das Kulturgut Spiel als Gegenstand der Kritik
Spiele als historisch gewachsenes Kulturgut
Entwicklung in der Nachkriegszeit
2. Die Spielekritik als Ebene der Reflexion
Blüte der Spielekritik
Selbstverständnis der Spielekritik
Das Verhältnis zum Autor
Das Verhältnis zu den Verlagen
Das Verhältnis zum Publikum
Erwartungen an den Spielekritiker
3. Die Grundlagen der Spielekritik
Abgrenzung gegenüber dem „Spiele-Test“
Einsicht in den Partiturcharakter von Spielen
Abgrenzung zur Pädagogik
Plädoyer für mehr Grenzgängerei
4. Das Handwerk der Spielekritik
Beurteilung der Spielidee
Analyse der Regelgestaltung
Beurteilung von Layout und Design
Übermittlung des Urteils

5. Ausblick

Literatur

Artikel

Vor beinahe dreißig Jahren gab Eugen Oker in der angesehenen Wochenzeitung „Die Zeit“ den Startschuß: unter der programmatischen Überschrift Dem homo ludens eine Gasse begann er im Herbst 1964, mit Engagement und Sachverstand Spiele zu besprechen. Er tat dies in aller Selbstverständlichkeit, wie eben andere Kritiker ein paar Seiten zuvor Bücher, Schallplatten und andere Kulturprodukte mit und in der breiten Öffentlichkeit diskutierten. Eugen Oker legte damit die Grundlagen zu der Entwicklung einer eigenen breiten Spielekritik in diesem Jahrhundert.

Nach den Jahren des Aufbruchs und den Jahren der Etablierung ist die Zeit gekommen, einmal eine Bestandsaufnahme und eine Standortbestimmung zu versuchen. Nicht etwa in der Absicht, sich zufrieden und beglückt über das Erreichte zurückzulehnen, sondern um Kritik an der eigenen Arbeit zu üben und auf diese Weise wichtige Impulse für die nächsten Jahre zu gewinnen. Es gilt, die bisherige Entwicklung und das kritische Instrumentarium zu überdenken und zugleich die Aufgaben für eine genuine Spielekritik der Zukunft zu präzisieren.

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Spiele im Sinne der regelhaften, materialgebundenen Brett- und Tischspiele gehören zu den ältesten kulturellen Äußerungen des Menschen, älter als alle in schriftlicher Form niedergelegten Ideen und Gesetze und beinahe ebenso alt wie die frühesten bildlichen Darstellungen. Jede Zeit, jeder Stand und jedes Alter entwickelte im Laufe der Jahrhunderte spezifische und oft modegebundene Formen und Spielarten. Sie alle zu erfassen und mit Spielplänen und Spielregeln zu dokumentieren, würde sicherlich mehrere Buchregale füllen.

Von ihrem Ursprung und Wesen her sind Spiele allerdings keine Instrumente der Erziehung, wie uns manche Pädagogen heute glauben machen wollen. Spielzeug und Spiele: in der Handelsstruktur des 19. und 20. Jahrhunderts erscheinen sie vermischt. Historisch sind sie zuvor jedoch wohl eigene Wege gegangen. Brettspiele für Kinder aus früherer Zeit? Ist das wirklich ein ketzerischer Gedanke, daß Brettspiele für Kinder erst ein Produkt der letzten 150 Jahre Spielentwicklung sind? Gemeinsames Spiel in der Familie, seit wann gibt es das?

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Von der Frühzeit an sind diese Spiele durchaus keine Kindersache, sondern eher eine kulturelle Beschäftigung der Erwachsenen, vielfältig verknüpft mit anderen Kulturtechniken, insbesondere der Mathematik, Bau- und Kriegskunst, aber auch mit religiösen und mythologischen Vorstellungen. Die Funde rund um die Gräber der Priesterkönige von Ur sind da ein beredtes Zeugnis. Dies einmal nachzuzeichnen wäre eine sicherlich sehr reizvolle Aufgabe. Eine Kultur- und Sozialgeschichte des Spiels ist leider bis auf den heutigen Tag ein Desiderat.

Der erwachsene Mensch, soviel läßt sich auf den ersten Blick schon feststellen, hat sich über die Jahrhunderte hinweg Spiele erfunden als Herausforderung an den Verstand, als Trainingsinstrument für die kleinen grauen Zellen. Spielerisch geht er in ihnen den Gesetzen des Zufalls und denen der Regelhaftigkeit auf den Grund. Im Spiel findet er darüberhinaus Erholung durch Anspannung, findet er zugleich Geselligkeit, Interaktion und Kommunikation.

Jedes Land der Erde hat im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende seine eigene spielgeschichtliche Entwicklung genommen. In dieser Hinsicht sind Spiele erstaunlich ambivalent. Auf der einen Seite sind sie sehr regional gebunden, wie am Beispiel bestimmter Kartenspiele, Binokel und Gaigel etwa, leicht gezeigt werden kann. Zugleich ist das Spiel aber auch ein Medium, das die Grenzen der Nationen und der Kontinente überschreitet. Über Handelswege und Heerstraßen werden Spiele von Kontinent zu Kontinent getragen. Heute sogar noch beschleunigt durch die international verknüpften Vermarktungswege.

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In die deutsche Spielgeschichte brachte der 2. Weltkrieg einen tiefen Bruch, der in dieser Form in anderen Kulturregionen so nicht nachzuweisen ist. Mit der Nachkriegszeit setzte eine in ihrer Radikalität geradezu erschreckende, spielfeindliche Periode ein. Sie hatte ihre tiefsten Ursachen wahrscheinlich im faschistischen Regime des 3. Reiches, als auch das Spiel skrupellos in den Dienst der Ideologie gestellt und damit verfälscht und korrumpiert wurde. In der Nachkriegszeit, der Zeit des Wiederaufbaus, hatte man dann jedenfalls anderes im Kopf als „ausgerechnet Spielen“. Das Spiel wurde plötzlich allein den Kindern zugewiesen und zugleichals kindisch und geradezu minderwertig abgetan. Spiel bekam unversehens ein Negativ-Image. Erwachsene spielten in den 50er und Anfang der 60er Jahre nicht, das galt schlicht als Zeitvergeudung. Es halten sich allenfalls noch ein paar klassische und vor allem bodenständige Spiele, die sich das einfache Volk nicht nehmen ließ: Skat, Mühle, Dame, Schach.

Die pädagogische Wissenschaft verinnerlichte diese Vorstellungen und lieferte überdies den entsprechenden theoretischen Überbau. Danach hat das Spiel nur eine Bedeutung für das Kind in seinen beiden ersten Entwicklungsstufen. Mit dem Eintritt in die Pubertät ist die Spielphase abgeschlossen. Es beginnt der ausschließliche Ernst des Lebens, es wird nicht mehr gespielt, jetzt wird fürs Leben gelernt. Und so kam es in der Lernspielphase Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre gar so weit, daß selbst dem Kind Spielen nur noch dort gestattet werden sollte, wo damit deutlich erkennbar auch Lernabsichten und möglichst kontrollier- und regulierbare Lerneffekte verbunden waren.

Aber die Kinder verweigerten sich zunehmend, wiesen diese pädagogisch autorisierten, pädagogisch manipulierten Spiel-Angebote ab. Als ob sie wüßten, was ihre Eltern inzwischen vergessen harten, daß nämlich Spiel immer auch zugleich ein Lernen ist, aber nur dort, wo es sich frei entfalten kann. Spiel ist nun einmal ein höchst spiritueller Vorgang und läßt sich nicht wie eine Lampe je nach Bedarf an- und ausknipsen.

Mitte der 60er Jahre machte sich der lange strangulierte Spieltrieb ganz elementar Luft und forderte sein Recht. Mann und Frau begannen langsam wieder zu spielen. Und in dem Maße, wie sich das Spielverhalten der Erwachsenen entkrampfte, entwickelte sich auch wieder ein natürlicheres Verhältnis zum Spiel der Kinder.

Gediegene und reputierlich aufgemachte Spiele erleichterten zunächst den Erwachsenen die Rückkehr an den Spieltisch. Von Amerika kamen die legendären 3M-Spiele herüber, hochkarätige taktische und strategische Denkspiele, aber auch faszinierend aufgemachte Sportspiele. In Sammlerkreisen erzielen sie heute Phantasiepreise. Deutsche Hersteller klinkten sich ein. Eine Fülle von Neuerscheinungen überschwemmte den Markt. Die Medien begannen von der großen, der erstaunlichen Spielwelle zu sprechen, die unser Land überrollt.

Die traditionellen Brett- und Tischspiele sind plötzlich wieder in einer Art und Weise gefragt, die nur verblüffen kann. Auch die erste Elektronikwelle Ende der 7er, Anfang der 80er Jahre konnte sie nicht stoppen. Die Produktionen steigen, immer mehr Spiele werden im Lande erfunden oder aus dem Ausland importiert, immer wieder neue Trends sorgen für neues Spielfutter. Im Bereich der Vor- und Grundschulspiele machen die neuen kooperativen Spiele von sich reden. Die Fantasy-Rollenspiele im Gefolge von Tolkien und Michael Ende schwappen von Amerika herüber und ziehen mit ihrer über- und unterirdischen Dämonenwelt meist Jugendliche in ihren Bann. Die Welle der Kriminal- und Agentenspiele. Die Welle der neuen Wirtschaftsspiele. Und dann erst die noch immer nicht abgeebbte Quiz-, Rate- und Selbsterfahrungsspielewelle im Anschluß an das sagenhafte Trivial Pursuit mit seinen umwerfenden Fragen zwischen höchster Trivialität und tiefstem Nonsens. Die Flut der Neuerscheinungen ist kaum noch zu überblicken.

Wer nach den Gründen für diese enorme Renaissance der uralten Form der Brett- und Kartenspiele in unserem technischen Zeitalter fragt, bekommt schnell parat gehaltene Antworten. Da ist die Rede vom gestiegenen Freizeitvolumen, von den gewachsenen finanziellen Möglichkeiten. Aber auch die Rede von der Fernsehmüdigkeit und dem Verlangen nach geselliger Unterhaltung, dem mitmenschlichen Austausch und dem Erleben gemeinsamen Spielspaßes. Und doch bleibt bei vielen eine gewisse Irritation über soviel unbändige Spielfreude. Aber waren in den zurückliegenden historischen Räumen nicht schon immer geistig unruhige Zeiten, Zeiten der Aufklärung, überaus spielfreudige Zeiten?

Jedenfalls bringt die langaufgestaute Spielbegeisterung und die enorme Flut neuer Spieletitel, die alljährlich auf den Markt geworfen werden, sehr bald den Ruf nach kritischer Sichtung, nach Orientierungshilfe. Es ist die Stunde der Entstehung der Spielekritik. Daß sie gerade in Deutschland zu einem enorm breiten Rezensionswesen führt, hängt vielleicht gerade mit der hier nur kurz umrissenen jüngsten Spielgeschichte dieses Landes, eben mit dem lange unterdrückten Spieltrieb und seiner geradezu eruptiven Befreiung zusammen.

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Spielekritik ist heute ein durchaus eigener und eigenständiger Bereich der Beschäftigung mit dem Spiel, bei dem die kritische Interpretation, Reflexion und spielanalytische Wertung im Vordergrund stehen. Man versteht darunter zunächst einmal die einzelne Spielebesprechung, das heißt die sachgemäße öffentliche Beurteilung von Spielproduktionen, wobei in der Regel das einzelne Spiel im Mittelpunkt steht. Sie beschäftigt sich dabei in erster Linie mit der jeweils zeitgenössischen Spiele-Produktion, zieht aber auch zurückliegende Produktionen zum Vergleich heran.

Zugleich steht der Begriff „Spielekritik“ inzwischen aber auch für eine Institution der spielerischen Öffentlichkeit, die das Geschehen in der Spiele-Szene, darüber hinaus aber auch die Spielverhältnisse eines Landes generell mitgestaltet. In diesem Sinne kann Spielekritik insgesamt definiert werden als die öffentliche Kommunikation über Spiele, die die Darstellung und Bewertung der Produktionen in diesem Bereich der Unterhaltungskultur zu ihrer Sache macht.

Der Spielekritiker stellt also Öffentlichkeit her, er legt den Grundstein zu einer breiten Publizität von Spiel, für ein lebendiges szenisches Geschehen im Bereich der Spiele. Er schafft in einer Weise Öffentlichkeit, wie sie weder der Autor noch der Verlag selbst leisten können. Er setzt Diskussionen in Gang, selbst da, wo er vielleicht in seinem Urteil irrt.

Nimmt er seinen Auftrag ernst, so bezieht er Kriterien der allgemeinen Kultur- und Kunstkritik ebenso in seine Arbeit ein wie die Forschungen etwa der Pädagogik als einer eher anwendungsbezogenen Wissenschaft, die der Philosophie und der Kultur- und Sozialgeschichte, Psychologie und Mathematik, um nur einige Beispiele zu nennen. Eine so verstandene Spielekritik gewinnt eine eigene Dimension gegenüber anderen Institutionen, die sich ebenfalls mit dem Spiel und den Spielen auseinandersetzen.

Die Frage, ob die Spielekritik ausschließlich ein Kind des 20. Jahrhunderts sei, bedarf der Untersuchung. Wer etwa die reichen Literaturangaben in dem Zedlerschen „Universal-Lexikon“ aufmerksam liest, ahnt bereits, daß eine Geschichtsschreibung der Spielekritik zumindest hier bereits durchaus fündig werden könnte. Kritische Auseinandersetzungen mit dem Schachspiel, mit dem Modespiel Billard, das Philosophen von Rang über die Maßen beschäftigte, das alles sind Ansätze, die einmal zu verfolgen sich sicherlich lohnen würde.

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Dennoch ist festzustellen, daß Spielekritik in der Breite, wie wir sie heute hierzulande haben, tatsächlich ein Kind der neuen Spielewelle ist, die ohne Beispiel in der Geschichte des Spiels ist. Mitte der 60er Jahre nahm sie ihren Anfang und erlebte in den letzten zehn Jahren noch einmal erstaunliche Aufschwünge

Die eingangs erwähnte Eröffnung einer eigenen Kolumne für Spiele, insbesondere Spiele für Erwachsene, durch Eugen Oker im Herbst 1964 war eine absolut neue Sache im deutschsprachigen Blätterwald. Und der Ort der Handlung, eben die führende deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“, gab dem Ganzen eine besondere Bedeutung und Außenwirkung.

Mit seinen Rezensionen in der „Zeit“ und später in der „Frankfurter Rundschau“ begründete Oker die neue Spielekritik überhaupt, denn etwas Vergleichbares gab es zu dieser Zeit weder in Deutschland noch in anderen Ländern. Und er löste damit als Spielekritiker geradezu eine Bewegung aus, innerhalb der erwachsene Menschen, ausgestattet mit einem wachen Verstand und einer überaus beweglichen Phantasie, die aufregende Welt des Spielens und der Spiele völlig neu entdeckten für sich selbst, für ihre Familien und ihren Freundeskreis.

Schon sehr bald folgten auch andere Tageszeitungen diesem Beispiel. Nach dem Vorbild der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der „Frankfurter Rundschau“ werden immer mehr Spiele-Kolumnen eingerichtet. 18 Zeitungen waren es im vorigen Jahr und ihre Zahl nimmt weiter zu: Spiele-Zeitschriften, professionelle wie auch von begeisterten Amateuren hektographierte, in Hülle und Fülle in der neu erwachten Spielelandschaft. Ergebnis einer oberflächlichen Zählung: mindestens 15 Magazine, die sich unterschiedlichen Facetten des Spiels widmen, finden heute hierzulande ihre Leser. Die Zahl der Rundfunk- und Fernsehbeiträge zum Thema steigt ebenfalls. Hier wie dort berichten mehr und mehr Fachjournalisten in lockerer, unterhaltsamer Form über neue Kost für den homo ludens, vor einem Publikum, das inzwischen in die Millionen geht.

Diese breite Basis der Spiele-Rezension ist sicherlich ohne Vergleich in der Welt. Der deutschsprachige Raum hat hier zweifellos eine eigene Entwicklung in Gang gesetzt, die auszustrahlen beginnt. In Schweden etwa schlossen sich vor zwei Jahren Fachjournalisten um Bengt Wennerberg zusammen und traten mit einem eigenen Spiele-Preis nach dem Vorbild des deutschen Kritikerpreises „Spiel des Jahres“ an die Öffentlichkeit. Auch in den USA studiert man den engagierten deutschsprachigen Fachjournalismus und sucht eigene Wege, das Spieleangebot des Landes kritisch zu sichten.

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Werfen wir einen Blick über den Zaun hinüber zur Literaturkritik. Folgende Forderungen richtet der renommierte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki an die eigene Profession:

„Der Kritiker soll sichten und ordnen, klären und werten, polemisieren und postulieren. Ein unentwegtes Gespräch muß er führen. Er diskutiert mit dem Autor, und er unterhält sich mit dem Publikum. Er hört nicht auf, die Frage zu stellen: Woher kommen wir, wo sind wir, wohin wollen wir? Zwei Ziele schweben ihm vor: bessere Bücher und bessere Leser. Mithin ist der Kritiker immer, ob er es zugibt oder leugnet -Moralist und Erzieher.“

Marcel Reich-Ranicki

Setzt man hier statt Bücher Spiele ein, so lassen sich diese Forderungen durchaus und nahtlos auf die Spielekritik übertragen. Auf die Tätigkeit des Sichtens und Ordnens wird später noch einzugehen sein. Zunächst einmal soll uns die Positionsangabe interessieren: der Kritiker zwischen Autor auf der einen und Publikum auf der anderen Seite. Nehmen wir die merkwürdigerweise hier nicht erwähnten Verlage noch dazu, so ist das Spannungsfeld, in dem sich der Spielekritiker bewegt, präzise umrissen.

Bei Lichte besehen ist der Ort, von dem aus er seine Aufgabe für bessere Spiele und für bessere (sprich: mehr und intelligentere, sachverständigere) Spieler wahrzunehmen hat, genau jener zwischen sämtlichen Stühlen. Und wer sich dort nicht häuslich einzurichten vermag, sich dort nicht geradezu wohlfühlt, sollte sich eine andere Mission suchen, er ist mit Sicherheit für den Beruf des Kritikers nicht geeignet. Geliebt wird er in der Regel nicht, weder von dem Autor noch von den Verlagen. Ein Kritiker, der darauf setzt und hofft, der davon in seinem psychischen Gleichgewicht abhängig ist, sollte sich ein anderes Metier suchen.

Jede öffentlich niedergelegte Spielekritik, dessen muß sich der Rezensent immer wieder neu vergewissern, wendet sich fachlich direkt an den Autor und den produzierenden Verlag. Auch da, wo er doch vordergründig eigentlich nur in eine Gesprächsbeziehung mit seinem Publikum getreten ist, übermittelt er Kritik- und Merkpunkte an die Macher von Spielen. Für manchen Kritiker liegt hier auch der Reiz und die Herausforderung, in direkter und indirekter Ansprache seine Einschätzung und Wertung zu vermitteln. Eine wirkliche Mitteilung kommt allerdings nur dann zustande, wenn der Kritiker sich in ständigem Kontakt mit der Produktions- wie der Rezeptionsseite befindet und über sein Verhältnis zu diesen Seiten reflektiert.

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Der naive Rezensent glaubt zunächst fest daran, daß in erster Linie der Autor der ideale Bundesgenosse für den Kampf um bessere Spiele sei, vor allem der reputierte Spiele-Autor, aber auch der engagierte Newcomer. Schließlich hilft er ja dem Autor, sich mit guten Spielen durchzusetzen, sich ein Image zu verschaffen oder zu verbessern. Er macht ein breites Publikum und oft genug die großen Verlage auf die Spiele des Autors und auf den Autor selbst aufmerksam.

Im Laufe seiner Tätigkeit erfährt er aber, daß der Autor ein höchst sensibles Wesen ist, in der Regel gar ein empfindsamer Egozentriker. Kommen obendrein auch noch wirtschaftliche Interessen ins Spiel, gestaltet sich das Zusammenspiel im Interesse der gemeinsamen Sache oft genug sehr schwierig.

Ein Beispiel für die Empfindlichkeit eines Autors aus dem Bereich der Literaturkritik sei hier zitiert. Es ist umso reizvoller als es sich gegen den eben zitierten Kritiker Marcel Reich-Ranicki richtet. Gegen ihn zieht Peter Handke wie folgt zu Felde:

„Reich-Ranicki stellt sich schon lange keine Fragen über sich selbst mehr. Er, der unwichtigste, am wenigsten anregende, dabei am meisten selbstgerechte deutsche Literaturkritiker seit langem, kann freilich alle Angriffe mit seinem Kommuniquesatz abwehren: ,Ein Literaturkritiker, der etwas taugt, ist immer eine umstrittene Figur.‘ Von mir aus ist Reich-Ranicki unumstritten. „

Peter Handke

Natürlich hat der Autor das Recht, sich gegen eine ungerechtfertigte Kritik zur Wehr zu setzen und persönliche Angriffe mit persönlichen Attacken zu beantworten. Und ein solcher Disput zwischen Kritiker und Autor, der in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird, belebt ja immer auch die Kulturszene ungemein. Wichtig ist aber, daß dabei die gemeinsame Sache nicht aus den Augen verloren wird. Dann wird eine solche Rangelei schnell niveaulos und überflüssig.

Mancher Spiele-Autor wünscht sich den bequemen, den willfährigen Rezensenten, einen Kranz von Jublern um seine Aura. Und in geradliniger Schlichtheit wird von „sachlich falscher Kritik“ gesprochen, allen Erstes die Frage diskutiert, „ob es nicht sinnvoll wäre, die Autoren erhielten die Artikel vorher zum Korrekturlesen“. Und um die Kuriosität noch zu steigern, wird sogar die Idee ventiliert, „eine ,neutrale Stelle‘ zu schaffen, die von ,guten Kritikern‘ und sachlich einwandfreien Kritiken eingedeckt wird. Die Medien könnten dann ihre Berichte bei der ,neutralen Stelle‘ anfordern. “ (Umgang mit Kritikern, S. 10)

Die Unbeholfenheit der in der Zeitschrift „Spiel & Autor“ dokumentierten Diskussion zeigt, wie wenig sich die Autoren wirklich mit Kritik und mit der wichtigen Aufgabe der Kritiker auseinandergesetzt haben. In Wirklichkeit schadet doch der falsche „Jubel“ dem Autor mehr als jede „falsche“ Kritik, nicht zuletzt durch seine flache Anpassung und seine bißlose Mittelmäßigkeit. Hier gilt es, weiterhin klärende Gespräche zu führen und das gemeinsame Fundament stärker herauszuarbeiten.

Im Rückblick ist einfach festzustellen: Hinter uns liegt eine erfolgreiche, gemeinsame zurückgelegte Wegstrecke von Kritikern und Autoren hin zu mehr Qualität der Spiele. Und auf diesem Weg hat der Autor hierzulande enorm an Profil gewonnen. Nicht etwa, weil die Verlage ihn schon immer außen auf dem Spiel deutlich herausgestellt haben, sondern weil die Spielekritik immer und immer wieder seinen Namen genannt und seine Bekanntgabe auf dem Spiel eingefordert hat.

Bestes Beispiel dafür ist der Kritikerpreis „Spiel des Jahres“. Bereits bei der ersten Preisverleihung 1979 nennen die Urkunden ausdrücklich und an erster Stelle den Autor. In der Öffentlichkeitsarbeit werden unmittelbar Kontakte zu den Autoren hergestellt, bereits 1982 den Presseaussendungen zusätzlich ein ausführliches Autorenporträt beigefügt. Der große Spieleratgeber der Jury, 1988 bei Hugendubel erschienen, enthält schließlich die erste umfassende Autoren-Ludographie, die überhaupt erschienen ist.

Angesichts eines deutlich sichtbar werdenden Trends zum Allerweltsspiel, das mit viel Werbung gepuscht wird und dann ja auch keinen Autor braucht, muß an diese erfolgreiche Arbeit angeknüpft und das Gespräch wieder aufgenommen, weitergeführt und vertieft werden, im Interesse der gemeinsamen Sache.

Im Idealfall ist Spielekritik für den Autor ein Spiegel, ein höchst nützliches Korrektiv für seine Arbeit. Nur eine Spielekritik, die sich intensiv um Analyse und Maßstäbe bemüht, kann im Vergleich mit seinen anderen Werken Fortschritte oder Rückschritte sichtbar machen. Aus der Kenntnis des gesamten Spieleangebots Vergleiche mit Publikationen anderer Autoren herstellen, Entwicklungstendenzen aufzeigen, die über das einzelne Spiel hinausweisen und für die weitere Arbeit wichtig sein können, solche Tendenzen zu erkennen, einzuschätzen und schließlich auf den Begriff zu bringen, ist die verantwortungsvolle Aufgabe des Kritikers, die ihm keiner abnehmen kann.

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Öffentlichkeitsarbeit war für die Spiele-Verlage vor Jahren noch ein äußerst schmales, manchmal sogar unbekanntes Terrain. Während die Buch-Verlage bereits auf eine lange Tradition im Umgang mit Presse, mit Kritik und Rezension zurückblicken konnten, tat man sich hier noch sehr schwer. Lediglich der Ravensburger Otto Maier Verlag unterhielt schon recht früh eine eigene Presseabteilung. Hier (wie zuvor auch bei der Einführung der Lektoratsarbeit in die Spieleproduktion) übertrug man erfolgreich Arbeitsmethoden der Buchvermarktung auf den Spielebereich. Es erwies sich als vorteilhaft, daß der Verlag seit langem sowohl Bücher als auch Spiele produzierte.

So hatte man im Hause Ravensburger von jeher auch keine Schwierigkeiten im Umgang mit einer unabhängigen Spielekritik. Während andere und vor allem kleinere Verlage von einer Art Tauschgeschäft – Rezensionsexemplare gegen anpreisende Rezension ausgingen, vertraute man auf die Qualität der eigenen Produktion und akzeptierte den anderen Blick auf die Produkte, war man auch zu Reaktionen bereit, wo Fehlleistungen offensichtlich wurden.

Heute wissen die Spieleverlage, daß die Spielekritik ihnen eine Öffentlichkeit schafft, die sie selbst gar nicht herstellen können. Beinahe alle Spieleverlage unterhalten eine eigene Pressestelle. Zusätzlich werden PR-Agenturen verpflichtet, um die eigenen Werbe-Investitionen durch eine zweite Schiene direkt zu steuern.

Natürlich fehlt es auch nicht an mittelbaren und unmittelbaren Steuerungsversuchen in bezug auf die Spielekritik, an Versuchen, sie sozusagen als dritte Schiene der eigenen Öffentlichkeitsarbeit in Anspruch zu nehmen. Dies tritt in allen Sparten des Kulturgeschäfts auf und muß einfach als eine normale Interessenswahrnehmung der Verlagsseite erkannt und behandelt werden.

Und auch hier gilt für den Spielekritiker das oben zitierte Gebot der Gesprächs- und Disputbereitsschaft – als Mittel zum Zweck, bessere Spiele für sein Publikum, dem er sich in erster Linie verpflichtet weiß, zu erreichen. Kritisch und zuweilen sogar fragwürdig wird es allerdings dann, wenn es zu einer ausgesprochenen Doppeltätigkeit als Spiele-Autor und Kritiker, als Lektor und Kritiker kommt. Aus guten Gründen setzt die Jury „Spiel des Jahres“ für die Mitarbeit die strikte Bedingung, daß ihre Mitglieder nicht finanziell von Verlagen abhängig sein dürfen.

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Mit dem zunehmend breiteren Angebot an Neuerscheinungen und der Entstehung einer eigenen Spielszene gewinnt die Spielekritik an Bedeutung. Sie wird unerläßlich als kritische Vermittlungsinstanz zwischen Spielemarkt und -branche auf der einen Seite und dem Publikum, das sich für das Kulturgut Spiel interessiert, auf der anderen Seite. Wie dieses Publikum aussieht, welche gesellschaftlichen Schichtungen zu welchen spielerischen Interessen führen, dies stets aufs Neue zu erkunden ist der Spielekritiker herausgefordert.

Da ist zunächst der „harte Kern“ der Spiele-Freaks. Sie betreiben das Spielen und Sammeln von Brett- und Tischspielen auf hohem Niveau und haben zuweilen eine erstaunliche Sachkenntnis in diesem Bereich. Was sie verlangen, ist in erster Linie Information und Analyse. Über Kataloge und auf Verbrauchermessen haben sie sich selbst informiert, welche Neuerscheinungen herausgekommen sind. Vornehmlich über ihre Fachzeitschriften wie „SpielBox“, „Fairplay und andere größere und kleinere Fachmagazine holen sie sich weitere Informationen: Hintergrundinformationen über Verlage und Autoren, Analysen zu den wichtigsten Neuerscheinungen.

Das breite Publikum dagegen sucht in erster Linie nach Spielen für sich, für die Familie und den Freundeskreis. Das Spiel ist für sie eine Form der kulturellen Unterhaltung neben anderen. Dies hat zur Folge, daß hier die an die Spielekritik gerichtete Informationserwartung und damit die an sie gestellten Aufgaben naturgemäß ganz andere sind.

Die Leser der Massenmedien müssen zunächst einmal zum Spielen animiert werden, davon überzeugt werden, daß Spielen gerade in heutiger Zeit eine sehr sinnvollle Freizeit-Beschäftigung ist. Spielen löst den Menschen aus seiner Vereinzelung, fördert über den gemeinsamen Spaß in hohem Maße die Kommunikation und Interaktion. Es ist eines der wenigen Medien, denen es noch gelingt, jung und alt zu gemeinsamem Spielspaß zusammenzuführen. Es wird im Spiel sehr viel Aggression abgelassen und abgelenkt. Spielen schafft damit genau die Distanz zu uns und unserer Umwelt, die wir heute zur Lösung der anstehenden Probleme brauchen. Es fördert auf der einen Seite Entspannung und Erholung, beflügelt zugleich aber auch die Phantasie, befreit für wichtige Momente aus den Zwängen des Alltags, regt die Kreativität an, indem Spaß aus dem Vergnügen über die Fähigkeit des Denkens gewonnen wird, Freude über das erfolgreiche Auffinden von Problemlösungen. Spielen ist schließlich Freude an der eigenen Geschicklichkeit, der geistigen und zuweilen auch (bei den Geschicklichkeits- und Reaktionsspielen) der körperlichen.

Der Fachjournalist will in seiner Spielekritik genau diese Werte des Spiels seinem Publikum in den öffentlichen Massenmedien näher bringen. Motivation zum Spiel muß hier also im Vordergrund stehen. Und zugleich auch die Befriedigung des Verlangens nach Auswahl und Orientierungshilfe angesichts einer Flut von Neuerscheinungen, die auch der Branche, insbesondere dem Handel, inzwischen immer größere Schwierigkeiten bereitet. Hier erwartet das breite Publikum, in unterhaltsamer, nicht belehrender, nicht analyseüberfrachteter Form über Spiele informiert zu werden.

Nebenbei: Auch der Handel beginnt inzwischen, auf die kompetente Information durch den Fachjournalismus, eben die Spielekritik, aufmerksam zu werden und sie zu nutzen. Auch er ist Nutznießer und Publikum der Spielekritik.

Ob sich Spielekritik nun an ein sachverständiges Freak-Publikum oder an den Normal-Spieleinteressierten wendet, es ist die Aufgabe der Spielekritik, durch das Aufdecken der Werte und Schwächen eines Spiels, durch Analyse seiner Wirkungsursachen, durch Empfehlung und Ablehnung das Publikum auf unterschiedlichen Ebenen zu eigener Stellungnahme und kritischer Durchdringung anzuregen.

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Die Spielekritik, die den Anspruch erhebt, im Bereich der Spiele und des Spielens eine Ebene der Reflexion herzustellen und zu gewährleisten, sieht sich genau mit diesem Anspruch plötzlich Erwartungshaltungen, Anforderungen konfrontiert, über die sie sich im klaren sein muß, will sie nicht scheitern. Sie kann den Anspruch nur einlösen, wo sie sich Kompetenz erwirbt und erhält, wo sie zugleich ihre Fähigkeit zu ästhetischer Kommunikation ausbildet und trainiert.

Der Spielekritiker, der über sein Gesprächs- und Diskussionsverhältnis zu Autoren und Verlagen und zum Publikum nachdenkt, erkennt sehr deutlich, wie wichtig es für ihn ist, durch handwerkliche Genauigkeit, durch ästhetische Sensibilität und moralische Integrität als Partner sowohl des Autors als auch des Lesers anerkannt zu werden. Fassen wir noch einmal die spezifischen Aufgaben zusammen, die einer Spielekritik zugeschrieben werden:

  • Spielekritik soll über das relevante Spiele-Angebot informieren.
  • Spielekritik soll die Form und den Inhalt wichtiger Spiele darstellen, um dem Spieler eine Auswahl zu ermöglichen.
  • Spielekritik soll negative Erscheinungen kritisieren, positive Entwicklungen herausheben.
  • Spielekritik soll zum Spielen motivieren.
  • Spielekritik soll das soziale und kulturhistorische Umfeld kennzeichnen, in das das Spiel hineingestellt ist.

Die Wahrnehmung dieser Aufgaben fordert von dem Spielekritiker eine breite Spielpraxis, darüber hinaus ein ständig ergänztes und reflektiertes historisches und theoretisches Wissen, und, last but not least, auf dieser Basis gewonnene ästhetische Maßstäbe, erkennbare Standpunkte, die eine Auseinandersetzung ermöglichen. Genau in diesem Zusammenhang steht die Forderung, ständig aufs neue über Verfahren nachzudenken, die es ermöglichen, Spiele zu beschreiben und zu bewerten.

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Bei einer Rückbesinnung auf die Grundlagen der Spielekritik müssen das Problem der Beurteilung von Spielen und die Frage der Kriterien ständig diskutiert und selbstkritisch reflektiert werden. Es gilt, das Instrumentarium zur Beurteilung von Spielen weiterzuentwickeln und zu verfeinern, und dabei zugleich das historische und soziokulturelle Umfeld in die Arbeit mit einzubeziehen. Hier ist sicherlich in den letzten Jahren zu wenig geschehen. Die Spielekritik gerät so in Gefahr, im Formelhaften und Oberflächlichen zu verkommen. Bei näherem Hinschauen ist es schon höchst erstaunlich, mit wie wenig theoretischem und historischem Wissen viele Spielekritiker auszukommen glauben. Nicht die in der Literaturkritik häufig diskutierte „analytische Trennung von Theorie und Kritik“ (Hohendahl, S. 4) ist das Problem, sondern vielmehr die bisher nur schwach ausgeprägte Bereitschaft, sich weitergehende Gedanken über einen theoretischen Unter- oder Überbau zu machen.

Der kritische Diskurs verliert unter solchen Bedingungen schnell seine Bedeutung, wenn statt eines abgeleiteten und begründeten Standpunkts lediglich Geschmacksfragen zur Diskussion gestellt werden. Das Publikum mag zwar zuerst den Reflex seiner eigenen Meinung suchen und so der Oberflächlichkeit einen schnellen Erfolg bescheren. Eine echte, sinnvoll weiterführende Diskussion findet aber nur da wirklich statt, wo erarbeitete Standpunkte sichtbar und nachvollziehbar werden.

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Bei aller natürlich gegebenen Verschiedenheit im Ansatz sind sich zumindest die ernst zu nehmenden Spielekritiker darin einig, daß das, was sie tun, ausschließlich mit kritischer Beurteilung auf der Basis einer systematisch vorgenommenen Analyse, nichts aber mit bloßem „Test“ von Spielen zu tun hat.

Niemand käme auf die absurde Idee, einen Buch-Test, einen Roman-Test vorzuschlagen. Was etwa würde ein Schallplatten-Test zutage fördern? Doch wohl höchstens eine einigermaßen differenzierte Auskunft über die Qualität der Pressung und des dabei eingesetzten Materials. Der Ertrag für die musikalische Beurteilung unmittelbar wäre sicherlich gleich null.

Gleichermaßen absurd sind auch die „Spiele-Tests“, die immer wieder allerorten aus dem Boden schießen. Spiele sind nun einmal in gleicher Weise Kulturprodukte, Produkte der Unterhaltungskultur unserer Zeit, wie eben das Buch oder der Film oder die Schallplatte. Als geistige Produktionen mit spirituellem Charakter unterliegen diese nun einmal eigenen Gesetzen. Sie entziehen sich grundsätzlich jedem Test, dem es um den Vergleich meßbarer Daten, um objektivierten Produktvergleich geht, wie sich generell geistige Produktion metrischen und materialtechnischen Messungen entzieht.

Man kann die Stabilität eines Kartons testen, die Materialqualität des Spielplans und des Zubehörs und die Qualität ihrer äußeren Gestaltung (Farbgebung, Design etc.) beurteilen, und allenfalls noch die Verständlichkeit der Spielregeln objektiv ermitteln. Just da aber, wo das eigentliche Spielen beginnt, sind die Grenzen des Tests bereits erreicht, können die Möglichkeiten des Tests nicht mehr greifen.

Spiel ist zutiefst subjektbezogen, d. h. von dem Willen und der Spielbereitschaft, aber auch der momentanen Spiel- und Kommunikationsfreudigkeit und Kreativität jedes einzelnen Mitspielers abhängig. Aber welcher Mensch ist schon jeden Tag und jede Stunde gleich disponiert? Und um es noch komplizierter zu machen: Spiel ist nicht nur subjektbezogen, sondern zugleich auch immer situationsgebunden, d. h. abhängig von den materiellen und seelischen Spielräumen, die es antrifft, abhängig von der gesamtgesellschaflichen Situation, in die es hineingestellt wird.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen und Einsichten über das Wesen des Spiels als eines kulturell-geistigen Produktes und seiner unbedingten „Subjekt- und Situationsgebundenheit“ hat das unmittelbare Durchspielen von neuen Spielen natürlich einen ganz anderen Stellenwert als bei einem Test. Es ist nicht Mittel- und Drehpunkt eines Bewertungsvorgangs nach irgendwelchen Punktesystemen. Es ist notwendige Ergänzung einer Urteilsbildung, die wesentlich auf der Basis von kritisch reflektierten Erfahrungen, von umfassenden theoretischen und praktischen Kenntnissen in Sachen Spiel und Spielen vorgenommen werden.

Ein erfahrener Spielekritiker mißtraut und widersteht noch so perfekten Verfahren, durch schlichtes Addieren und Multiplizieren von Punkten, die aus so heterogenen Details wie Spielidee, Regelgestaltung und Design/ Gestaltung stammen, ein scheinbar jederzeit überprüfbares, weil sich mathematisch präzise gebendes Gesamturteil zu errechnen. Merkwürdigerweise stehen dort am Ende Schulnoten im traditionellen Benotungsstil von 1 bis 6. Ein Spielekritiker will aber nie der Obertester oder gar Oberlehrer der spielenden Nation sein, sondern seine Spielfreude an andere Mitmenschen weitervermitteln, dabei seiner Begeisterung über neue gute Spielideen ebenso Ausdruck verleihen wie seiner Verärgerung über schlechte und somit höchst überflüssige Produktionen.

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Spiele sind Regelwerke mit Partiturcharakter. Darin unterscheiden sie sich wesentlich vom Spielzeug, darin haben sie ihre spezifische Eigenart und darin unterliegen sie eigenen Problemen in Hinblick auf Beurteilung von Idee und Form.

Ein Spiel ohne Regel ist wie ein Buch ohne Buchstaben, ein Notenblatt ohne Noten. Das Spiel kann sich auf dem Brett erst entwickeln, wenn das Regelwerk bekannt oder eine Regel aufgestellt ist. Damit muß die Spielbeurteilung ein anderes Verfahren entwickeln als bei der Beurteilung von Spielzeug. Sie kann nicht einmal auf Kriterien für die Beurteilung von Spielzeug zurückgreifen.

Der geübte Spielekritiker kann natürlich Spiele-Partituren lesen und eine erste Einschätzung abgeben über ihre Originalität im spielhistorischen Raum und im Hinblick auf die Spielidee. Dafür hat er seine spielhistorischen Kenntnisse und seine umfangreichen Erfahrungen aus eigener, stets aufs Neue reflektierter Spielpraxis. Aber eine abschließende Gesamtwertung muß stets auch den Gesichtspunkt der Spielbarkeit, des Spielwitzes, also der Wirkung einbeziehen. Dazu bedarf es dann allerdings der Inszenierung.

An diesem Punkt unterscheidet sich die Spiele-Rezension daher grundsätzlich von der eines Buches oder einer Schallplatte. Ein Buch kann ich allein im stillen Kämmerlein lesen, eine Schallplatte dort in perfekter Wiedergabe und voller Konzentration mir anhören und dann meine Kritik schreiben. Um Spiele zu beurteilen und eine Spielekritik abzugeben aber, bedarf der Rezensent zusätzlich der Mitspieler, möglichst vieler und möglichst unterschiedlicher Mitspieler, um zu einem einigermaßen abgerundeten Urteil zu kommen. Denn die Wirkung von Spielen läßt sich nur wirklich voll und ganz erfassen, wenn man die Spiele zum Klingen, zur „Aufführung“ bringt, um im Vergleich zu bleiben. Und dann wirkt sich unmittelbar aus, was jeder als das eigentliche Geheimnis jedes Spielvorgangs kennt, was jeder, der sich einmal intensiver mit Spielen auseinandergesetzt hat und selbst gerne und häufig spielt, weiß: jede Spielrunde ist in sich ein einmaliges und unwiederholbares Ereignis.

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Der Spielekritiker beschreibt also Inszenierungen, wo der Pädagoge über Applikationen von Spielen spricht. Auch der Kritiker braucht daher natürlich ebenfalls die Spielbeobachtung. Da liegt Wolfgang Einsiedler mit seiner Kritik völlig schief, daß der Spielekritiker keinen Wert auf Spielbeobachtung legt. Der Unterschied ist allerdings, daß der Spielekritiker sich selbst auf das Spiel einläßt, daran teilnimmt. Er schreibt aus der Innenansicht, aus dem eigenen (Mit-)Erleben heraus. Und genau da hat der Pädagoge in der Regel so seine Schwierigkeiten.

Der Pädagoge versteht nämlich das Spiel in erster Linie als Mittel für den pädagogischen Zweck. Er sieht primär das Erziehungsobjekt und das Erziehungsziel. Dann greift er zum Spiel. Der Pädagoge sieht daher das Spiel immer aus der Distanz, hat Schwierigkeiten, sich selbst auf das Spielen einzulassen, will das in der Regel auch gar nicht, zumal er Spiel auch primär als kindliche Beschäftigung ansieht. Der Spielekritiker sieht Spielen a priori als eine das ganze Leben begleitende kulturelle Äußerung des Menschen an, mit durchaus unterschiedlichen Wirkungsmöglichkeiten in allen Lebenstufen. Nimmt er seine Aufgabe ernst, so beschäftigt er sich natürlich auch mit Aspekten der Entwicklungspsychologie, die ihm vor allem bei der Alterszuordnung von Spielen höchst nützlich ist. Wolfgang Einsiedler hat auch hier unberechtigte Kritik geübt Zumindest der Spiele-Ratgeber der Jury „Spiel des Jahres“ etwa bietet eine altersbezogene Zuordnung aus entwicklungspsychologischer Sicht, die in Sachen Spiele umfangreichste, die mir zur Zeit bekannt ist.

Der Spielekritiker interessiert sich stärker als der Pädagoge auch für die poetologischen Entwicklungen der Spiele, für die Poetologie des Spiels. Bestimmte neue Formen durchbrechen das überlieferte Gattungsverständnis. Zur Beschreibung der Norm tritt die Deskription der Spielentwürfe, die neue Entwicklungen signalisieren. Deskriptiv sucht er auch den Individualstil eines Autors zu erhellen und zur Grundlage der Analyse zu machen.

Bei dem Interesse für die kultur- und sozialgeschichtlichen Aspekte des Spiels ist der Spielekritiker dem Historiker, dem Volkskundler und dem Philosophen sicherlich näher verpflichtet als dem Pädagogen. Wo der Spielekritiker versucht, Zusammenhänge zu erkennen, Entwicklungslinien fortzuschreiben, sieht der Pädagoge für seine zielgerichtete Tätigkeit nur überflüssiges Rankenwerk, das den Blick auf die erzieherische Aufgabe verstellt.

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Wer feststellt, daß die derzeitige Spielekritik unter einem Theorie-Defizit und einem deutlichen Mangel an sozial- und kulturhistorischem Wissen leidet, muß natürlich gleichzeitig auch sagen, welche Wege er zu deren Behebung sieht. Ich stelle deshalb neben diese Abgrenzung zur pädagogischen Wissenschaft ein Plädoyer dafür, daß sich die Spielekritik mehr und intensiver mit der wissenschaftlichen Forschung, natürlich auch der pädagogischen, beschäftigt.

Um einmal deutlich zu machen, welchen Fundus an ungenutzten „Hilfswissenschaften“ für die Spielekritik in diesem Bereich zu finden ist, begnüge ich mich mit der folgenden kleinen, katalogartigen Zusammenstellung, die in Aufzählung und Kurzkommentierung keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Komplexität erhebt:

  • Archäologie: Nur wer die Ursprünge und Wurzeln des Spiels kennt, kann seine Entwicklung bis zu unserer heutigen Zeit und darüber hinaus kompetent und komplex beurteilen. Die Berichte über die Funde in den Königsgräbern von Ur in Chaldäa und die Geschichte des altägyptischen Senetspiels sind Beispiele dafür, was hier an interessanten Fakten und Einblicken gewonnen werden kann.
  • Geschichte: Die Kultur- und Sozialgeschichte des Spiels ist zwar bis zum heutigen Tag noch ein Desiderat. Die Ansätze, die der niederländische Historiker Johan Huizinga in seinem „Homo Ludens“ niedergelegt hat, deuten an, welche Arbeit dort noch zu leisten ist. Einzelne Forschungsbeiträge wie etwa der von Arno Borst über das mittelalterliche Zahlenkampfspiel oder die Geschichte des Schachspiels des Berliner Historikers Joachim Petzold erhellen bereits wichtige Facetten.
  • Kunstgeschichte: Die Kunstgeschichte hat sich bisher viel zu wenig mit dem Spiel, der kunstvollen Gestaltung von Spielen und den Darstellungen spielender Menschen befaßt. Was da zu erwarten wäre, zeigen die Forschungen zur Geschichte der Spielkarten von Detlef Hoffmann und die Darstellung der Entwicklung der Schachfiguren von Marion Faber. Für eigene Forschungen findet der Spielekritiker ein reiches Betätigungsfeld.
  • Linguistik: Mehr über Sprache und Kommunikation zu wissen, ist für den Spielekritiker nicht nur bei der Beurteilung von Spielregeln wichtig. Von der Sprachwissenschaft kann er auch nützliche Hinweise auf seine eigene Schreibtätigkeit, eine Erweiterung seiner Möglichkeiten zur Kommunikation mit dem Publikum erhalten.
  • Mathematik: Die Auseinandersetzung mit der mathematischen Spieltheorie ist für viele Spielekritiker ein Buch mit sieben Siegeln. Sie mißtrauen der Mathematik, weil sie angeblich das Ende des kreativ ungebundenen Spiels ist. Dabei wird allerdings der Beitrag dieser Wissenschaft etwa über die algorythmische und statistische Forschung sehr unterschätzt.
  • Musikwissenschaft: Noch in der Encyklopädie des Johann Georg Krünitz findet sich unter dem Stichwort „Spiel“ die Unterrubrik „Musikalisches Spiel“ (Krünitz, 158. Teil, S. 63). Krünitz erwähnt ein musikalisches Gesellschaftsspiel, „vermittelst dessen man eine große Anzahl verschiedenartiger Musikstücke selbst componieren kann“ (a.a.0.). Worte wie „Klavierspiel“ sprechen noch heute, im Zeitalter des Virtuosentums, von einstmals fließenden Grenzen zwischen Spielen und Musizieren. Richard Strauß und Arnold Schönberg liebten übrigens das Kartenspiel.
  • Naturwissenschaften: Die Forschungen von F J. J. Buytendijk über das Spiel der Tiere sind auch heute noch durchaus lesenswert. Für den Göttinger Biologie-Nobelpreisträger Manfred Eigen ist Spiel „ein Naturphänomen, das von Anbeginn den Laufder Welt gelenkt hat: die Gestaltung der Materie, ihre Organisation zu lebenden Strukturen wie auch das soziale Verhalten der Menschen“(Eigen, S. 17). Pädagogik: Das Wissen um den pädagogischen Zeitkonsens ist für den Spielekritiker ebenso wichtig wie die einzelnen Forschungen zu einer Pädagogik des Spiels. Von besonderem Interesse aus der jüngsten Zeit sind die Forschungen von Spanhel zum Spielverhalten der Jugendlichen.
  • Philosophie: Die Spielphilosophie der Neuzeit schwankt zwischen einem utopischen Appell und einer anthropologischen Kategorie, verbunden mit den Namen Schiller, Kant, Heidegger, Fink, Marcuse, Adorno. Sie beginnt allerdings nicht erst mit Schülers vielzitierten Schriften zur ästhetischen Erziehung. Da eine Geschichte der Spielphilosophie oder auch nur eine detaillierte Gesamtdarstellung ihrer Ansätze fehlt, bietet sich ein weites Feld für Entdeckungen. Kant soll übrigens ein ganz passabler Billiardspieler und Schleiermacher ein leidenschaftlicher Kartenspieler gewesen sein. Psychologie: Natürlich fällt einem spontan der Beitrag von Roger Caillois über das Spiel zwischen „Maske und Rausch“ ein, Eric Bernes Buch über die „Spiele der Erwachsenen“ oder Susanna Millars Beitrag über die „Psychologie des Spiels“. Hochinteressant für jeden ernsthaften Spielekritiker sind darüber hinaus die Forschungen der Entwicklungspsychologie und die Erfahrungen der Spieltherapie.
  • Soziologie: Der Spielekritiker sollte immer auch Interesse an sozialen Aspekten des Spiels und des Spielens haben. Spiele stehen immer in einem politisch-gesellschaftlichen Kontext. Die Reflexion über die gesellschaftliche und politische Dimension des Mediums Spiel ist etwa für die Zeit des Nationalsozialismus, aber auch für manche Produktionen unserer Zeit durchaus überfällig. Der Warencharakter des Spiels bleibt nicht ohne Einfluß auf seinen gesellschaftlichen Stellenwert.
  • Theologie: Kirche und Theologie waren mit dem Spiel in vielfältiger Hinsicht verbunden. So gab es etwa Spieleverbrennungen, und es gab die Einbeziehung spielerischer Elemente in den Gottesdienst. Der Essay von Hugo Rahner „Der spielende Mensch“ beweist, daß die Theologie bis in heutige Zeit hinein sich mit dem Spiel und dem Spielen auseinandersetzt. Völkerkunde: Nicht zu verwechseln mit der Volkskunde, die sich ebenfalls intensiv mit dem Spiel beschäftigt hat. Im Gegensatz zu dieser beschäftigte sich die Völkerkunde mit dem Spiel rund um den gesamten Globus, bei allen Völkern und Nationen. Aus jüngster Zeit sind vor allem Veröffentlichungen über das Spiel der Indianer und der Afrikaner von größtem Interesse.

Die Liste der Wissenschaften, die sich mit dem Spiel beschäftigt und wichtige Beiträge zur Spielforschung geleistet haben, ließe sich sicherlich noch weiter fortführen. Für ein Plädoyer zur Grenzgängerei, zur intensiveren Beschäftigung mit der einen oder anderen Facette mag diese Aufzählung genügen. Trennung von Kritik und Wissenschaft führt nicht weiter, weder die Wissenschaft noch die Kritik. Denn auch die Wissenschaft muß sich mitteilen und in Praxis umsetzen, will sie nicht in Narzismus und Selbstbefriedigung ersticken. Hier hat die Kritik die Chance, ihren Horizont entscheidend zu erweitern.

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Im Mittelpunkt der Spielekritik steht die Auseinandersetzung mit dem einzelnen Spiel, seine Beurteilung und Bewertung. Wie bereits dargelegt, unterscheidet sich das Beurteilungsverfahren der Spielekritik deutlich von dem Verfahren der Pädagogik vor allem dadurch, daß es sowohl die Form und die Form- und Spielentwicklung als auch die eigene Spielerfahrung und die Erfahrung in Spielgruppen deutlich in seine Urteilsfindung einbezieht. Hier haben sich im Laufe der letzten zwanzig Jahre eigenständige Verfahren entwickelt, die sich an der ganz spezifischen Eigenart des Gegenstands Spiel orientieren und auf diese Weise der Spielekritik ihren eigenen Stellenwert gegeben haben.

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Die Originalität der Spielidee kann der Spielekritiker nur dann beurteilen, wenn er sich einen Fundus von Spielkenntnissen erworben hat und sich überdies analysierend mit Spieltraditionen und der Geschichte der Spiele auseinandergesetzt hat. Er sieht dann sofort, ob ein Spiel innerhalb einer Gattung, etwa der des Start-Ziel-Spiels, durch eine eigenständige Variante neue Lichter aufsetzt oder das Malefiz-Schema nur um eine andere Graphik und einen anderen Titel „bereichert“ wird.

Unter dem Aspekt „Wohin wollen wir?“ spielt natürlich auch die Frage eine Rolle, ob das Spiel innerhalb der Produktion eines Autors eine Weiterentwicklung oder einen Rückschritt bedeutet. Der Beitrag eines Spieles zur Spielentwicklung wird also sowohl im Hinblick auf die allgemeine Spielgeschichte als auch auf den Autor und sein Oeuvre bezogen beurteilt. Die Spielidee ist das Zentrum, das Herzstück eines Spiels. Der Begriff „Idee“ kennzeichnet das Spirituelle eines Spielvorgangs sicherlich eher als der Begriff „Spielmechanik“, der den Spielimpuls fälschlicherweise auf ein Input-Output-Verfahren reduziert. Zu der Spielidee muß heute im Zeitalter des Films und des Fernsehens -eine Einkleidung, ein Szenario treten. Nicht immer gelingt die Verknüpfung, was zuweilen auch ein Lahmen des Spiels zur Folge hat. Erst als Agentenspiel wurde „Sigma File“ von Eric Solomon beispielsweise zu einem Klassiker. Erst eine harmonische und logische Einheit von Spielidee und Einkleidung machen das gute Spiel aus.

  • Spielbarkeit ist natürlich die Grundforderung, die an ein Spiel gestellt wird. Ein gutes Spiel erkennt man schlicht daran, daß es Spaß macht. Bei großer Varianzbreite der Abläufe hat es einen starken Herausforderungs- und Wiederholungscharakter. Die Spielstrategien, die es auslöst, sollten immer konstruktiv und spielanimierend wirken. Dabei ist sich der Spielekritiker immer bewußt, daß es das Spiel für jedermann nicht gibt. Zum einen hat jede Spielgattung einen eigenen Appeal, der eine haßt es, dem Würfelglück ausgeliefert zu sein, er liebt das abstrakte Denkspiel, den Wettstreit Hirn gegen Hirn. Ein dritter mag lieber die Beschaulichkeit und Ruhe eines Legespiels. Hinzu kommt, daß Spiele einen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad, aber auch eine unterschiedliche Komplexität haben können. Sie sprechen damit ein engeres oder breiteres Publikum an. Das bedeutet in sich jedoch keine Qualitätsaussage. Für die Spielekritik, die bei ihrer Urteilsfindung dem Spielerleben und der Spielbeobachtung eine starke Bedeutung beimißt, bedeutet dies, daß der Spielekritiker ein Spiel möglichst in unterschiedlichen Spielrunden mit unterschiedlicher alters- und bildungsmäßiger Zusammensetzung durchspielen muß, um seine Tragfähigkeit und seine Breitenwirkung einschätzen zu können.
  • Auch die Zahl der Mitspieler ist bei der Beurteilung einer Spielidee von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Spiele-Verlage geben zuweilen eine möglichst breite Spielerzahl an, in der irrigen Hoffnung, daß das besonders förderlich für den Umsatz sei. Wenn etwa bei einem Spiel angegeben wird, daß es für 2-6 Spieler spielbar ist, so gibt es nur äußerst wenige Spiele, bei denen das wirklich stimmt. Aufgabe des Spiele-Kritikers ist es, hier anzusetzen, das Spiel mit unterschiedlichen Teilnehmerzahlen durchzuspielen, um so die Idealbesetzung eines Spiels herauszufinden, zuweilen auch bei eklatanten Fehlangaben eine Abmahnung anzubringen.
  • Ebenso kann eine brilliante Spielidee durch eine falsche Alterszuordnung Schaden erleiden, an der Zielgruppe vorbeilaufen und somit keinen Spielspaß ermöglichen. Das ist vor allem im Bereich der Kinderspiele, also im Spielalter von 4 bis 12 Jahren, besonders kritisch. Auch hier gilt es im Zweifelsfalle, unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie, die Spiele in unterschiedlichen Alterszusammensetzungen durchzuspielen und zu prüfen.
  • Mit der Einschätzung des Spielwertes, der Frage also, ob ein Spiel es wert ist, angeschafft und gekauft zu werden, verbinden sich zwei Fragen. Das ist zunächst die oberflächliche nach dem Preis-Leistungsverhältnis. Die Frage, ob ein Spiel wirklich sein Geld wert ist, stellt sich um so mehr, als Spiele inzwischen nicht mehr gerade zu den billigsten Kulturgütern gezählt werden können. Natürlich ist ein Spiel sein Geld wert, wenn es Stehvermögen hat, also immer wieder in seinen Bann ziehen kann; mehr als das, wenn es darüber hinaus logisches Denken, planvolles Handeln und möglichst auch die Sprachfähigkeit fördert, Kommunikation und Interaktion in Gang setzt, kurz ein dichtes Spielerlebnis eröffnet.
  • Dann aber auch die Frage nach den Inhalten, nach den Spielthemen und Einkleidungen. Hier neigt die Spielekritik oft genug dazu, die Dinge eher zu verdecken als kritisch anzugehen. Etwa mit dem Hinweis, daß Spiel doch ein Freiraum sei, in dem alles erlaubt sei, was Spaß macht, in dem nichts wirklich ernst zu nehmen sei. Ein solcher Standpunkt verkennt, daß unter diesem Deckmantel sehr oft das Spiel ideologisch und politisch mißbraucht wird.

Der Inhalt von Spielen sollte nun einmal nicht gewalt- und kriegsverherrlichend sein. Es kommen zuweilen Spiele auf den Markt, die politisch in einer Weise gezielt oder instinktlos Zeitprobleme wie etwa Rassendünkel, Flüchtlingsprobleme, Fragen der Ökonomie oder Ökologie berühren, daß eine schon der Atem stehenbleibt. Eine Spielekritik, die ihre Aufgabe ernst nimmt, darf die Dinge hier nicht verdecken, beschönigend auf die „doch so innovative Spielmechanik“ hinweisen. Hier muß Spielekritik auch im Moralischen Flagge und Standpunkt zeigen.

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Regel und spielerisch-kreative Entfaltung innerhalb einer Regelvorgabe darin liegt der eigentliche Reiz eines Spiels begründet. Die Spielregel ist somit das zentrale Nervensystem eines Spieles, von dem die gesamte sinnvolle Steuerung ausgeht. Ohne Spielregel kommt bei den Brett- und Kartenspielen kein Spiel zustande. In einem auch heute noch sehr lesenswerten Essay hat Friedrich Georg Jünger Wesen und tiefere Bedeutung der Spielregel umfassend abgehandelt. Wir können uns daher an dieser Stelle auf die formalen Anforderungen konzentrieren, die an eine gute Regelgestaltung anzulegen sind.

Der Umfang einer Spielregel ist nicht das zentrale Problem, als das es allgemein heute dargestellt wird. Viele Spiele aus jüngerer Zeit, die heute bereits als Klassiker gelten, haben ein umfangreiches Regelwerk. Stellvertretend seien hier nur „Hase und Igel“ und „Scotland Yard“ genannt. Und wer sich einmal die Regeln zu dem volksläufigen Skat-Spiel anschaut, staunt über die Komplexität und Kompliziertheit. Bei einem Spiel, das auf Grund seiner spielerischen Qualitäten zum Spielen herausfordert, werden auch umfangreichere Regelwerke spielerisch bewältigt. Der Spielspaß entschädigt doppelt für vorangegangene Mühen. Eilfertige Konzessionen an das immer verbreitetere fast-food-Verhalten sind da unangebracht.

Der logische innere und äußere Aufbau ist von ungleich größerer Bedeutung für das Spiel. Schwierigkeiten treten hier vor allem dann auf, wenn ein Spielaufbau keine innere Stringenz aufweist und nur ein Konstrukt geblieben ist. Gute Spiele zeichnen sich dadurch aus, daß die Regel nur noch unterstreichen muß, was der Spieler bereits aufgrund des erkannten Szenarios vermutet.

Die Einstimmung in das Spielgeschehen, die zum Spiel anregende Entfaltung des Szenarios soll bündig, anregend, zum Spiel animierend abgefaßt sein. Die Erläuterung der Spielvorbereitung und der Einstieg in das Spielgeschehen sind die nächsten Schritte, die angelegt werden müssen. Hier registriert die Spielekritik sehr oft merkwürdige Brüche. Die gezwungen „lyrische“ Einstimmung etwa weicht plötzlich dem nüchtern sachlichen Ton, wie er bei der Gebrauchsanweisung einer Waschmaschine sicherlich angebrachter wäre. Im Spiel kann er geradezu tödlich wirken.

Die Verständlichkeit bei der Übermittlung der weiteren Regelabläufe leidet sehr oft darunter, daß unter dem manischen Zwang, kurze Regeln erreichen zu müssen, sehr oft Raffungen im Text vorgenommen werden, die in sich zwar u. U. noch logisch begründbar und erschließbar sind, aber das Verständnis des Lesers überfordert. Auch hier ist die Spielekritik aufgerufen, als Anwalt des Spielers aufzutreten und Verständlichkeit einzufordern.

Die Übersichtlichkeit einer Spielregel ist eine wesentliche Lese- und Verständnishilfe. Einführung in das Spiel und Animation zum Spiel, die Darlegung der Spielidee und die Übermittlung des Spielablaufs, klar herausgearbeitete Gliederungen erleichtern die erste Aufnahme der Regelzusammenhänge ebenso wie ein späteres Rückblättern und Vergewissern. Wenn die einzelnen Phasen des Aufbaus deutlich herausgearbeitet und somit leicht erfaßbar sind, muß das durchaus nicht einen Verlust an Stimmung und Animation bedeuten. In jedem Fall bedeutet es eine Versicherung des Lesers und keine Verunsicherung.

Die graphische Ausgestaltung der Spielregel übernimmt eine ganz wesentliche Stützfunktion. Damit ist nicht nur der Einsatz typographischer Mittel gemeint, die die Gliederung des Textes unterstützen. Graphische Einschübe können auch die stimmungsmäßigen und animatorischen Felder verstärken, die eine Regel im Idealfall durchziehen. Wichtiger ist aber, daß Graphik den Übergang von der eigenen Lese-Ebene zu der ganz anderen Ebene des Spielgeschehens auf dem Spielbrett erleichtern hilft. Stilmittel sind einfache Bewegungsskizzen und Ausschnitte aus dem Spielplan, die zum Verständnis von Einzelheiten herangezogen werden.

Die Spielekritik hat in der Vergangenheit durch die Vergabe eines besonderen Preises für die gute Spielregel, genannt die „Essener Feder“, sehr viel für die Verbesserung und Vervollkommnung der Regelgestaltung bewirkt. Diese Ansätze müssen im kritischen Alltag weitergetragen und weitergeführt werden.

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Eine der Grundforderungen an ein gutes Spiel ist die einheitliche Gestaltung von Schachtel, Plan, Regel und Zubehör. Das bedeutet nichts anderes, als daß im Idealfall Spielidee und Szenario von der Titelgestaltung bis zur kleinsten Spielfigur eine in sich stimmige und sich ergänzende Umsetzung erfährt. Wie schwierig es ist, die Zielsetzung zu erreichen, läßt sich an vielen Neuerscheinungen ablesen. Sehr oft werden durch Graphik und Layout Erwartungen geweckt, die das Spiel dann nicht erfüllt. Es werden falsche Ziel- und Altersgruppen angesprochen, die dann mit dem Spiel nichts anfangen können. Oder es klaffen Welten zwischen einem reißerischen Spielekritik Titelbild und einem abstrakt nüchternen Spielplan mit der Folge, daß sich der Spielspaß nicht einstellen will.

Zu den Aufgaben des Layouts gehört nicht nur die Umsetzung der Spielstimmung und des Spielinhalts, sondern auch die sachliche Information des Spielers. Für ihn ist es wichtig, daß er auf einen Blick Spielerzahl und Spielalter, Spielgattung, u. U. auch Schwierigkeitsgrad und Spieldauer schnell ablesen kann. Der Spieler möchte darüber hinaus auch über die Spielidee, über Spielthema und Spielaufbau Auskunft haben. Angesichts der in der Regel zugeschweißten Spielekartons ist es für ihn hilfreich, den Inhalt, das heißt Details des Spielplans und des Spielzubehörs, außen erkennen und beurteilen zu können.

Was die künstlerische Qualität der graphischen Gestaltung angeht, so haben wir in den letzten Jahren große Fortschritte, aber zuweilen auch enorme Rückschritte gehabt. Zwar hat auch hier die Spielekritik durch einen von ihr ausgesetzten „Sonderpreis Schönes Spiel“ im Rahmen des Kritikerpreises „Spiel des Jahres“ manches bewirkt. Insgesamt muß aber festgestellt werden, daß man sich hier allzuschnell auf die unverbindliche Ebene des Geschmacks zurückzieht, der angeblich nun einmal nicht zu diskutieren sei. Geschmacklosigkeiten werden als „Geschmacksache“ hingestellt, wo eigentlich Beurteilungskriterien entwickelt und übermittelt werden. Hier hat die Spielekritik noch enorme Defizite aufzuarbeiten.

Im Design des Spielmaterials sind in den letzten Jahren gerade im deutschsprachigen Raum Maßstäbe gesetzt worden, die weltweit Beachtung gefunden haben. Aufgabe der Spielekritik ist es, das nicht zuletzt durch ihre Arbeit Erreichte zu erhalten und auszubauen. Noch vor Jahren fand man in so manchem Spielkarton kleine Plastikkegel von abstoßender Uniformität. Große Holzfiguren, hervorragend verarbeitetes Kunststoffmaterial laden heute ganz anders zum Spiel ein, vermitteln dem Spielenden auch eine ästhetische Befriedigung durch funktionsgerechte Gestaltung, durch gute Griffigkeit und farbliche Unterscheidbarkeit.

In die Frage, ob und wie Umweltschutz in die Gestaltung der Spiele eingehen kann, muß sich der Spielekritiker als Anwalt der Spieler und zugleich auch als ein solcher der gestreßten Natur einschalten. Es gilt auch hier, neue fortschrittliche Maßstäbe zu entwickeln und Rückschritte zu verhindern, die oft genug nur um des größeren Profites willen eingeführt werden und dabei unter dem Bio-Deckmantel einherkommen.

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Das wirksamste Forum für die Spielekritik waren zunächst einmal die öffentlichen Medien. Vor allem in den Printmedien, den Zeitungen und Zeitschriften vermochte sie ein mittlerweile immer breiteres Publikum zu erreichen. Getrübt wird diese erfreuliche Entwicklung nur dadurch, daß dem Spiel noch immer nicht allgemein der gebührende Platz innerhalb der Kultur- und Feuilleton-Redaktionen eingeräumt wird. So hat es zunächst einmal seinen Platz eher in den Sparten Freizeit, Reisen, Modernes Leben gefunden.

Daneben beschäftigen sich kleinere Fach-Zeitschriften mit Auflagen zwischen 300 und 7.500 Exemplaren mit dem Spiel. Hier ist es ähnlich wie im Literaturbereich: Der Rezensent in der Tagespresse arbeitet mit der Absicht, einen möglichst großen Leserkreis mit einem Spiel bekannt zu machen. In der Fachpresse dominiert eine analytische Verfahrensweise, die eher in die Details eines Spiels eindringen will und auf breitem Raum Vergleiche mit ähnlichen oder gleichen Spielen zieht, die schon längst nicht mehr am Markt erhältlich sind. Erstaunlicherweise findet sie nur sporadisch Zugang zum Fernsehen. Die Sendereihe „Leips“, in der Eugen Oker gemeinsam mit Stefan Wilfert jahrelang regelmäßig Spiele kritisch für Kinder und Jugendliche sichtete, hat inzwischen ihr Erscheinen eingestellt. Auch im Rundfunk, wo Jörg Eckrich etwa Anfang der 60er Jahre im Bremer Rundfunk zu den Mitbegründern der Spielekritik gehörte, gibt es heute so gut wie keine regelmäßig auftretende Spielekritik, sondern lediglich mehr oder weniger gesteuerte Verbrauchertests. Hier gilt es also, für die Spielekritik wieder neue Räume zu eröffnen.

Der Adressat, den Spielekritik erreichen will, ist im Gegensatz zur Pädagogik nicht der Erzieher, nicht in erster Linie der „erziehungsberechtigte“ Erwachsene, sondern es sind die spie\interessierten Menschen beiderlei Geschlechts und natürlich auch Menschen, die sie noch für das Spiel gewinnen will. Hier hat sich die Spielekritik in der Vergangenheit viel zu wenig mit der Frage auseinandergesetzt, mit welchen Rezipienten sie es eigentlich zu tun hat.

Im Bereich der Spiele-Fachzeitschriften ist das relativ einfach durch Leserumfragen zu bestimmen. Diese werden allerdings aus Konkurrenzgründen mehr oder weniger unter Verschluß gehalten. Bei der Wiedergabe von Eindruck, Wirkung und Urteil ist Spielekritik hier deutlich auf breite Information über Neuerscheinungen und die formale Analyse einzelner Spiele ausgerichtet. Manche dieser Zeitschriften machen daher eher auch den Eindruck eines kommentierten Warenhauskatalogs. Ihre „Kritiker“ sind denn auch (zuweilen sogar eingestandener Maßen) eher an Rezensionsexemplaren denn an profilierter Kritik interessiert.

Die Formen, in denen Spielekritik journalistisch an das Publikum gebracht wird, sind jene, die sich auch in der übrigen Kulturkritik herausgebildet und bewährt haben: Die Rezension, die Glosse, die Polemik, der Essay, die Reportage, die Geschichte, das Interview der Dialog. Während hier jedoch eine stete Diskursanalyse über Zusammenhang von sprachlicher Mitteilung (Argumentationsstrategien und rhetorische Mittel) und gesellschaftlicher Funktion geführt wird, Vorlieben für bestimmte Formen der Kritik, Vorlieben für bestimmte eingefahrene Argumentationsstrukturen, etwa assoziative Verfahren usw., hinterfragt werden, hat sich die Spielekritik einer solchen Diskussion über ihre Arbeit und ihre Methoden noch nicht gestellt.

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Als Ergebnis der Bestandsaufnahme ist festzustellen, daß die Spielekritik sich als eigenständiger Beitrag zur Kultur des Spiels und des Spielens in den letzten Jahren etabliert hat. Damit ist ihr zugleich auch eine eigene Verantwortung zugewachsen, der sie sich in Zukunft deutlicher stellen muß. Zur Wahrnehmung der ihr inzwischen zugewachsenen Aufgaben muß die Spielekritik ihr Selbstverständnis neu überdenken, ihren Standort zwischen Produktionsseite und Publikum reflektieren. Und daraus auch Konsequenzen für den Arbeitsalltag ziehen.

Die Spielekritik muß in diesem Zusammenhang vor allem bemüht sein, ihr fachliches Wissen über das Spiel und seine Entwicklung sowohl in historischer als auch in theoretischer Hinsicht zu erweitern. Dabei muß sie sich öffnen für Anregungen aus den Wissenschaften, sich mit deren Forschungsergebnissen auseinandersetzen und so ihren Horizont erweitern.

Nicht nur im Fachlichen, sondern auch im Handwerklichen der Spiele-Beurteilung und der Übermittlung ihrer Erkenntnisse und Wertungen, also auch im Journalistischen muß die Spielekritik ihr Instrumentarium ständig überprüfen und erweitern. Sie muß Mittel und Wege finden, ihre „Message“ auch in die neuen Medien hineinzutragen, ein immer breiteres Publikum für Spiel und Spielekritik zu interessieren. Nur so wird es der Spielekritik gelingen, dem Kulturgut Spiel den ihm zustehenden Platz im kulturellen Ensemble zu verschaffen und zu behaupten.

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  • Berne, Eric: Spiele der Erwachsenen. Psychologie der menschlichen Beziehungen. – Reinbek: Rowohlt 1970 (rororo sachbuch. 6735)
  • Borst, Arno: Das mittelalterliche Zahlenkampfspiel. Heidelberg: C. Winter 1986.
  • Buytendijk, Frans J. J.: Wesen und Sinn des Spiels. Das Spielen der Menschen und der Tiere als Erscheinungsform der Lebenstriebe. – Berlin 1934.
  • Calllois, Roger: Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch. Frankfurt/Berlin/Wien: Ulstein1982 (= Ullsein Materialien, Nr. 35153)
  • Eigen, Manfred / Ruthild Winkler: Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall. München: Piper 1975. Einsiedler, Wolfgang: Das Spiel der Kinder. Zur Pädagogik und Psychologie des Kinderspiels. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1991
  • Fasber, Marion: Das Schachspiel in der europäischen Malerei und Graphik (1500 bis 1700). Wiesbaden: Harrassowitz 1988.
  • Handke, Peter: Marcel Reich-Ranicki und die Natürlichkeit. In: ders., Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms. Frankfurt: Suhrkamp 1972, $. 203–207
  • Hofmann, Detlef: Die Welt der Spielkarte. Eine Kulturgeschichte. München: Callwey 1972. Hohendahl, Peter Uwe (Hrsg): Geschichte der deutschen Literaturkritik (1730–1980). Stuttgart
  • Metzler 1985
  • Huizinga, Johan: Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Reinbek : Rowohl 1987 (rowohlts enzyklopädie, re 435)
  • Jünger, Friedrich Georg: Die Spiele. Frankfurt/Main: V. Klostermann 1953.
  • Krünitz, Johann Georg: Ökonomisch-technologische Encyklopädie. Berlin: Paulische Buchhandlung 1833.
  • Peczold, Joachim: Das königliche Spiel. Die Kulturgeschichte des Schach. Stuttgart: W. Kohlhammer 1987.
  • Rahner, Hugo: Der spielende Mensch. Einsiedeln: Johannes Verlag 1952.
  • Reich-Ranicki, MarceE: Deutsche Literatur in Wesr und Os. München: Piper 1966.
  • Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexikon 64 Bde. + 4 Suppl.-Bde. Graz: Akad. Druck- und Verlagsanstalt 1961. (== Phocomechanischer Nacbdruck der Ausgabe Halle und Leipzig 1732-1754.)
  • Umgang mit Kritikern. In: Spiel & Autor. H. 8 vom 17. 10. 1991 (Göingen). S. 10

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