20. September 2024
Foto: Malte Reimold, Pixabay

Vorbild Buchbranche: SAZ fordert Reform bei Honoraren für Spieleautorinnen und -autoren

Spieleautorinnen und -autoren erhalten weniger Geld als Buchautorinnen und -autoren. Die Spiele-Autoren-Zunft (SAZ) fordert: Das muss sich ebenso ändern wie die Transparenz der Abrechnungen. Die Spieleverlage können die Kritik nicht nachvollziehen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Meinungsverschiedenheit.


Was verdienen Spieleautorinnen und Autoren?

Spieleautorinnen und -autoren erhalten pro verkauftem Spiel einen Anteil am Verkaufserlös, in der Regel etwa 6 Prozent. Entscheidend ist dabei, wovon ihr Anteil berechnet wird: vom Preis, den ein Kunde im Laden zahlt (Netto-Ladenpreis)? Oder vom Preis, den der Verlag dem Händler in Rechnung stellt (Netto-Abgabepreis)? Bei den meisten Spieleautorinnen und -autoren ist es der Netto-Abgabepreis, auch wenn die Bezeichnungen dafür variieren. In Verträgen tauchen auch Begriffe wie Nettoumsatz, Nettoverlagserlös, Nettowarenpreis, Händlereinkaufspreis, Nettoeinnahmen oder fakturierter Rechnungsbetrag auf.

Was ist der Unterschied zwischen Netto-Ladenpreis und Netto-Abgabepreis?

Der Preis eines Produkts im Laden ohne Mehrwertsteuer ist der Netto-Ladenpreis. Der Preis, den der Verlag einem Händler für ein Spiel in Rechnung stellt, ist der Netto-Abgabepreis. Dieser ist oft niedriger, da Verlage Händlern Rabatte gewähren.

Was kritisiert die Spiele-Autoren-Zunft (SAZ)?

Die SAZ kritisiert, dass die meisten Spieleverlage Honorare auf Basis des Netto-Abgabepreises berechnen würden. Das benachteilige Autorinnen und Autoren. Die tatsächlichen Verkaufspreise der Spiele würden nicht berücksichtigt. Damit würden Spieleautorinnen und -autoren schlechter gestellt als Buchautorinnen und -autoren. Letztere erhielten meist einen Prozentsatz vom Netto-Ladenpreis. Die SAZ hat zwei Beispielrechnungen erstellt, um den Unterschied zu verdeutlichen.

Gebundener Ladenpreis für ein Buch29,98 €
– ermäßigter Umsatzsteuersatz (7 Prozent)1,96 €
= Netto-Ladenpreis28,02 €
Umsatz-Erlös Handel (bei 50 Prozent Rabatt vom Verlag)14,01 €
Umsatz-Erlös Verlag14,01 €
10 Prozent Honorar für Buchautorinnen- und -autoren
(basierend auf Netto-Ladenpreis, unabhängig von Rabatten und anderen
Vereinbarungen zwischen Verlag, Grossisten und Buchhändlern)

5 Prozent Honorar für Buchautorinnen und -autoren
10 Prozent können laut SAZ nicht überall erreichen.
Bei Taschenbuchausgaben erhielte Buchautorinnen und
-autoren in der Stufe „bis 20.000 Exemplare“ 5 Prozent.
2,80 €



1,40 €

Nicht gebundener Ladenpreis für ein Spiel29,98 €
– Umsatzsteuersatz (19 Prozent)4,78 €
= Netto-Ladenpreis 25,20 €
Umsatz-Erlös Handel laut Händlerpreisliste (bei 50 Prozent Rabatt vom Verlag,
ohne weitere Rabatte und Abzüge)
= Netto-Abgabepreis
12,6 €
Umsatz-Erlös Verlag12,6 €
10 Prozent Honorar für Spieleautorinnen und -autoren
(basierend auf Netto-Abgabepreis – unabhängig von Rabatten und anderen
Vereinbarungen zwischen Verlag, Groß- und Einzelhandel)

6 Prozent Honorar für Spieleautorinnen und -autoren
In der Realität liege der Prozentsatz für Autorinnen und Autoren nicht bei
10, sondern eher bei 6 Prozent Lizenzhonorar.
[Anmerkung der Redaktion: Kaufmännisch gerundet, wären es eigentlich
nicht 0,75 €, sondern 0,76 €.]

Berücksichtige man weitere Rabatte, die Verlage in Abzug brächten und lege
dabei die laut SAZ durchschnittlichen Abzüge vom Preis der Händlerpreisliste
eines großen deutschen Verlags in Höhe von 23 Prozent zugrunde,
blieben bei 6 Prozent Lizenzhonorar noch
1,26 €



0,75 €



0,58 €

Laut SAZ zeigten die Rechnungen, dass die Honorare der Spieleautorinnen und -autoren niedriger ausfallen und stark von Vereinbarungen zwischen Handel und Verlagen abhingen. Diese würden Spieleautorinnen und Autoren nicht kennen. Die SAZ schreibt weiter: „Die Händlerpreislisten der Verlage gehen meist vom Grundrabatt von etwa 50 Prozent des anvisierten beziehungsweise empfohlenen Ladenverkaufspreis aus. Aber je durchsetzungsstärker der Händler ist, desto höher sind die preisreduzierenden Konditionen. Dies wirkt sich bei Großkunden, wie zum Beispiel Amazon, besonders stark aus. Laut offizieller Abrechnung für ein Spiel bei einem großen deutschen Verlag bewegten sich diese Abzüge von der Händlerpreisliste in den Jahren 2018 bis 2022 zwischen 21 und 27 Prozent.“ Dies sei für Autorinnen und Autoren intransparent.

Die SAZ schreibt weiter: „Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch der fragwürdige und von der SAZ klar abgelehnte Versuch eines anderen großen Verlags, Spieleautorinnen an den Kosten für TV-Werbung zu beteiligen. Der entsprechende Vertragspassus sieht vor, dass Spieleautorinnen im Falle einer TV-Werbung in dem jeweiligen Jahr und Land 1 Prozent weniger Lizenzhonorar bekommen, zum Beispiel statt der vereinbarten 6 nur 5 Prozent.“ Hermann Hutter vom Verein Spieleverlage sagt: „TV-Werbung ist bei Spielen die absolute Ausnahme. Wenn nun also ein Verlag überproportional ins Marketing investiert, spricht man darüber mit den Autorinnen und Autoren. Sie profitieren davon und wissen: Das ist eine Win-Win-Situation: TV-Werbung steigert in der Regel die Zahl der verkauften Spiele massiv und damit auch ihre Einnahmen. Was das konkret für die prozentuale Höhe des Honorars bedeutet, ist Verhandlungssache.“

Welche Angaben fehlen in den Beispielrechnungen?

Musterrechnungen können und sollen lediglich eine erste Orientierung bieten. Deshalb fehlen darin viele Angaben, bei Büchern unter anderem Agenturen. Sie helfen Autorinnen und Autoren, ihre Manuskripte bei Verlagen unterzubringen. „Dafür erhalten sie zwischen 10 und 20 Prozent von allem, was Autorinnen und Autoren mit ihrem Buch verdienen“, schreibt Dr. Anette Huesmann in ihrem Blog. Auch bei den Spielen fehlen Angaben. Mehr Informationen dazu findet ihr in unserem Artikel Handel, Verlage, Illustratoren, Autorinnen: Wer verdient was an einem Brettspiel?

Was schlägt die SAZ bei Honorarabrechnungen vor?

Bei der Berechnung des Honorars auf Basis des Netto-Abgabepreises solle laut SAZ nur der fakturierte Rechnungsbetrag als Grundlage gelten. Alle Abzüge wie Rabatte oder Skonti sollten in Verträgen klar definiert sein. Sie sollten außerdem transparent offengelegt werden. Nur so könnten Autorinnen und Autoren nachvollziehen, wie ihre Honorare zustande kommen.

Unabhängig davon schlägt die SAZ vor, die Netto-Abgabepreise (ohne Abzüge) als Berechnungsgrundlage für die Honorare zugrunde zu legen. Auch die Praxis einiger Buchverlage, die unverbindliche Preisempfehlung (UVP) zu verwenden, solle diskutiert werden. Zur Erinnerung: Der Netto-Abgabepreise ist der Preis, zu dem Verlage Spiele an den Handel verkaufen. Die UVP ist der Preis, den Verlage dem Handel als Verkaufspreis an Kunden empfehlen. Eine weitere Alternative wären laut SAZ Fest- oder Mindest-Garantiehonorare pro verkauftem Spiel. Dies erfordere allerdings Transparenz bei der Preisfestsetzung des Verlags sowie automatische und kontrollierbare Gleitklauseln bei Preiserhöhungen.

Was sagen Spieleverlage zu Honorarabrechnungen?

Der Verein Spieleverlage ist eine Fachgruppe im Deutschen Verbandes der Spielwaren­industrie (DVSI). Darin sind etwa zwanzig Verlage aus Deutschland, Schweiz und Österreich organisiert. Vorsitzender der Fachgruppe ist Hermann Hutter. Er sagt: „Verträge über die Berechnungsgrundlage und die Höhe von Honoraren sind immer individuelle Vereinbarungen zwischen Verlagen sowie Autorinnen und Autoren. Daher wundert uns die öffentliche Pauschalverurteilung der SAZ. Alle Verlage, die ich kenne, haben klare und saubere Lizenzabrechnungen. Hätten sie die nicht, wären sie in Teufels Küche.“

Außerdem sei es schwierig, die Buch- und Spielebranche zu vergleichen. Bis ein Spiel im Regal stehe seien mehr Schritte nötig als bei einem Buch. Buchautorinnen und -autoren schrieben ein Manuskript, das lektoriert, gesetzt, gedruckt und verkauft werde. Bei Spielen entwickelten Redakteurinnen und Redakteure Prototypen mit viel Aufwand bis zur Marktreife. Auch die Arbeit von Grafikerinnen und Illustratoren sowie Investition in Werkzeuge von Spielfiguren oder andere spielrelevanter Materialien erhöhen den Kostenaufwand bei einer Spieleentwicklung. Dadurch seien Produktionskosten bei Spielen deutlich höher als bei Büchern.

„Bei Büchern gibt es eine Preisbindung und damit einen festen Ladenpreis. Bei Spielen nicht. Die Folge: Jeder Verlag und jeder Händler kalkuliert anders“, sagt Hutter. Aus diesem Grund müsse man sich bei den Honoraren auf die Summe beziehen, die Verlage tatsächlich einnehmen. Nur davon könnten Verlag Honorare zahlen. Es sei außerdem schwierig, verbindliche verlagsübergreifende Regeln zu treffen. „Würden sich alle Verlage in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf ein Vorgehen einigen, könnte das kartellrechtlich problematisch werden“, sagt Hutter.

Ein Kommentar

  1. Schade, dass es keinen Link zum vollständigen Positionspapier der SAZ im Artikel gibt, das sei hier nachgeholt: https://www.spieleautorenzunft.de/files/public/Downloads/Berechnungsgrundlage%20f%C3%BCr%20Lizenzhonorare%20-2024-03.pdf

    Herr Hutter hat natürlich Recht, wenn es sagt, dass Verträge individuelle Vereinbarungen sind. Verlagsübergreifende Regelungen sind aber lt. § 36 Urheberrecht durchaus möglich, wenn Urheberverbände und Verwerterverbände dazu in ihren Satzungen ermächtigt sind. Der Spielverlage e.V. könnte also, will aber nicht. Die SAZ hat eine solche Ermächtigung in ihrer Satzung verankert. Die SAZ versucht daher, mit den einzelnen Verlagen direkt ins Gespräch zu kommen, was sie in einigen Fällen auch sehr erfolgreich und konstruktiv praktiziert.

    Herr Hutter irrt allerdings, was die Aussagen zur Honorierung in den Verlagsverträgen angeht. „Klar und sauber“ ließe sich bei einem Großteil der Verlage gut diskutieren, wenn dort schwammige und nicht näher definierte Begriffe wie „Nettoerlöse“ und eine Vielzahl von nicht bezifferten Abzügen genannt werden, die oft auch klar in den Aufgabenbereich der Verlage fallen.

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