Deutsche Einheit: Wendespiel über Wiedervereinigung

Beim Wettbewerb „Umbruchszeiten. Deutschland im Wandel seit der Einheit“ beschäftigten sich Jugendliche mit der Wiedervereinigung. Die Klasse 9a der staatlichen Gemeinschaftsschule Hersleben entwickelte ein Brettspiel mit Ereigniskarten, die auf realen Erfahrungen basieren.


Die Schülerinnen und Schüler waren begeistert vom Vorschlag ihrer Lehrerin Anja Müller. Ja, sie wollten am Wettbewerb „Umbruchszeiten“ teilnehmen und mehr über die DDR, die Wende und die Zeit danach lernen. Zur Vorbereitung spielten sie „Überholen ohne einzuholen“. Das Brettspiel von Robert Kurek erschien 1995 bei der Buschfunk Vertriebs GmbHb. Es handelt sich um ein vergleichsweise simples Würfel- und-Laufspiel. Thema ist das Leben in der DDR. Spielerinnen und Spieler bewegen ihre Figuren quer durch Ostdeutschland. Um zu gewinnen, müssen sie in die Stasi eintreten, einen Trabant sowie ein Telefon kaufen und Wandlitz erreichen.

Interviews werden Ereigniskarten

Die Klasse entschied sich, ebenfalls ein Spiel zu entwickeln. „Wendespiel“ sollte es heißen. Wie bei „Überholen ohne einzuholen“ reist man durch Deutschland. Diesmal nicht nur durch den Osten, sondern auch den Westen. Die Mechanik wurde weiter vereinfacht. Geld gibt es nicht mehr, auch die Stasi, Trabis und Telefone verschwanden. Das Ergebnis: ein Laufspiel, das an das traditionelle Gänsespiele erinnert. Wer an der Reihe ist, würfelt und zieht Richtung Ziel (Berlin). Wer auf einem Ereignisfeld landet, nimmt eine Karte und muss die Anweisungen darauf befolgen. Hier vier Beispiele:

  • Heute ist der 8. März und Frauentag. Jede Frau darf ein Feld vorrücken!
  • Du erfährst, dass dein bester Freund bei der Stasi war und es eine Akte über dich gibt. Wähle einen Mitspieler aus, der fünf Felder zurückgehen muss!
  • Du musst ins Krankenhaus. Erfreut stellst du fest, dass sich Einiges getan hat. Bei deinem letzten Aufenthalt waren die Patientenzimmer überfüllt, es mangelte an Material und die Medizintechnik war nicht auf dem neuesten Stand. Rücke vier Felder vor!
  • Dein Mitgliedsbeitrag für das Fitnessstudio wird fällig. Du erinnerst dich an die kostenlosen Betriebs- und Schulsportgemeinschaften in der DDR. Rücke zwei Felder zurück.

Die Ereignisse haben sich die Schülerinnen und Schüler nicht ausgedacht. Sie sprachen mit Eltern, Großeltern und Bekannten. Anschließend prüften die Jugendlichen die persönlichen Schilderungen auf ihren Wahrheitsgehalt und entwarfen Ereigniskarten, die auf den Schilderungen basieren. „Uns ist bewusst, dass die Einschätzung, ob man für ein Ereignis ein, zwei oder drei Felder vor oder zurück rückt oder gar aussetzen muss, subjektiv ist und auf unseren Recherchen beruht. Dennoch denken wir, dass Gleichaltrige mithilfe des Spiels einen guten Einblick in das Leben in der DDR und den Veränderungen nach der Wende gewinnen können“, schreiben die Schülerinnen und Schüler in der Projektdokumentation.

„Wendezeit rückblickend positiv“

In der Dokumentation ziehen sie auch ein Fazit: „Viele unserer Zeitzeugen haben die DDR im Kinder- und Jugendalter erlebt. Mangelwirtschaft, Unterdrückung und Diktatur spielten für sie noch keine große Rolle. Dennoch wünschen sich ,unsere‘ Zeitzeugen die DDR nicht zurück. Sie bewerten die Wendezeit, trotz aller Schwierigkeiten, rückblickend als positiv. Ihrer Meinung nach, hat sich Deutschland ins Positive verändert. Es gibt viel mehr Freiheiten für die Menschen, sie fühlen sich weniger eingeengt. Die wirtschaftliche Lage hat sich auch um einiges verbessert und man kann sich alles kaufen, was man möchte (natürlich nur, wenn man es sich auch leisten kann). Unsere heutige Gesellschaft bietet mehr Freiraum, Reisemöglichkeiten und Ziele.“

Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung Aufarbeitung, kann zufrieden sein. Sie sagte zum Start des Wettbewerbs: „Für alle, die den Umbruch 1989 und den Einigungsprozess von Beginn an bewusst erlebt haben, sind die Ereignisse zur biografischen Selbstverständlichkeit geworden. Wer nach der Jahrtausendwende geboren ist, muss dagegen mit einem Forscherblick an die Umbruchszeiten herangehen. Wir möchten Jugendliche aus Ost und West dazu motivieren, eigene Fragen zu stellen und Antworten zu finden. Der Blick auf die jüngste Geschichte kann ihnen dabei helfen, die Gegenwart besser zu verstehen.“

Wettbewerb „Umbruchszeiten. Deutschland im Wandel seit der Einheit“
Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer haben den Wettbewerb „Umbruchszeiten“ aus Anlass von 30 Jahren deutsche Einheit ins Leben gerufen. Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren konnten zwischen dem 16. September 2019 und dem 1. März 2020 Geschichtsprojekte einreichen, die sich mit den Umbrüchen in Deutschland nach der deutschen Einheit auseinandersetzen. Laut Veranstaltern haben 180 Gruppen und damit fast 1.300 Jugendliche Beiträge eingereicht. Die 35 besten davon wurden mit einem Preisgeld in Höhe von 500 bis 3.000 Euro prämiert. Mehr Informationen zum Wettbewerb unter umbruchszeiten.de.

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