Quelle: Economic War Room with Kevin Freeman

Brettspiel Election 2020, You Decide: Verschwörungstheorien über Corona und US-Wahl

Demokratiefeinde verbeiten Hass und Verschwörungstheorien nicht nur über den Messenger Telegram, sondern auch mit Brettspielen. Bei Election 2020, You Decide dreht sich alles um Lügen über Corona und die US-Wahl 2020.


Beginnen wir mit einer Klarstellung: „Election 2020, You Decide ist ausschließlich zur Unterhaltung gedacht. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig – oder als Satire, Parodie beziehungsweise Persiflage dieser Personen gedacht. Sie soll keine wahren oder sachlichen Informationen über diese Personen, Orte oder Ereignisse vermitteln.“ So steht es auf der Internetseite zum Spiel in dunkelgrauen Buchstaben auf hellgrauem Hintergrund. Der gut verstecke Haftungsausschluss muss aus juristischen Gründen wohl sein. Die Botschaft des Spiels hat es nämlich in sich.

Rassistische Stereotpye und Feindschemata in Spielen

Was die Spielerinnen und Spieler erwartet, verrät Peter Navarro. In einem Video sagt der ehemalige Handelsberater des Ex-US-Präsidenten Donald Trump: „Wollen Sie wissen, wie die Demokraten die Wahl 2020 gestohlen haben? Spielen Sie das Spiel. Wollen Sie wissen, wie Tony Fauci wahrscheinlich geholfen hat, ein tödliches Virus in einem kommunistischen chinesischen Biowaffenlabor zu entwickeln? Spielen Sie das Spiel. Wollen Sie der Falschmeldung mit den Russland-Absprachen auf den Grund gehen? Genau. Spielen Sie das Spiel.“ Auch wenn Navarro Falschaussagen geschickt vermeidet, schließlich stellt er nur Fragen, ist die Stoßrichtung klar. Das Spiel trägt damit zur Spaltung der amerikanischen Gesellschaft bei und schwächt die Demokratie.

Election 2020, You Decide ist nicht das erste Spiel, das Feindbilder verbreitet. Bereits im Ersten Weltkrieg war das Phänomen bekannt. „Schlachten- und Belagerungsspiele verharmlosten Kampfhandlungen, Kartenspiele wie das Weltkriegsquartett vermittelten technisches und militärisches Wissen und Illustrationen verfestigten Feindbilder. Spielend eigneten sich die Kinder Freund-Feind-Konstellationen an, prägten sich rassistische Stereotype ein und übten Feindschemata. Während feindliche Nationen als Witzfiguren herabgesetzt wurden, glorifizierten die Spiele die eigenen Truppen und Verbündeten“, schreibt Judith Fritz in der virtuellen Ausstellung „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“.

„Macher versuchen, Leute einer Gehirnwäsche zu unterziehen“

Election 2020, You Decide setzt nicht nur auf Freund-Feind-Konstellationen, sondern auch auf Desinformation. Wer vermeintliche Beweise für die Verschwörungstheorien sucht, kann QR-Codes scannen. Diese führen zu Videos, die die Desinformation belegen sollen. „Das Brettspiel ist also nicht nur ein harmloses kleines Hey-lasst-uns-das-mit-unseren-Maga-Freunden-spielen-Spiel [Maga steht für „Make America Great Again“, Anmerkung der Redaktion]. Es ist Propaganda. Wenn das Spiel zu Videos oder Artikeln weiterleitet, versuchen die Macher, Leute einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Das ist keine harmlose kleine Gaunerei. Es ist ein Weg, noch mehr Propaganda des rechten Flügels zu verbreiten“, kritisiert Farron Cousin in der Show Ring of Fire.

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Election 2020, You Decide als „trojanisches Pferd“

Die Anhänger des Spiels geben sich keine Mühe, diese Aussage widerlegen. Ganz im Gegenteil. David Clements sagte in der Show „Economic War Room with Kevin Freeman“: „Mir geht es darum, dass wir die Menschen wachrütteln müssen, und das [Spiel] scheint mir das perfekte trojanische Pferd zu sein, um in die Wohnzimmer zu gelangen.“ Sein Wunsch: Über das „trojanische Pferd“ sollen möglichst viele Personen auf die Videos aufmerksam werden. Clements war früher Professor an der New Mexico State University. Die Universität hat ihn jedoch laut Medienberichten entlassen, nachdem er die Masken- und Impfvorschriften auf dem Campus abgelehnt hatte. Clements verbreite demnach außerdem auch Lügen über den angeblichen Wahlbetrug bei der US-Präsidenten-Wahl 2020.

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In der Show zeigt Clements einen der Videos (zu sehen bei 6:02 Minuten). Darin sagt der aktuelle US-Präsident Joe Biden: „We have put together I think the most extensive and inclusive voter fraud organization in the history of American politics.“ Auf Deutsch: „Wir haben die wohl umfangreichste und umfassendste Organisation zum Thema Wählerbetrug in der Geschichte der amerikanischen Politik aufgebaut.“ Das Zitat gefällt den Machern des Spiels so sehr, dass sie es auch in großen Buchstaben auf den Schachtelrand gedruckt haben. Unerwähnt bleibt, dass es aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Biden hatte keinen Wahlbetrug zugegeben, sondern über ein Wählerschutzprogramm gesprochen. Sein Team hatte dieses in Erwartung möglicher juristischer Auseinandersetzungen über den Ausgang der Wahl ins Leben gerufen. Das belegen zahlreiche Faktenchecks, siehe zum Beispiel hier, hier oder hier. Das aus dem Zusammenhang gerissene Zitat ist nur eines von vielen Beispielen für die Desinformation in dem Spiel.

„Desinformation wird genutzt, um Gesellschaft zu spalten“

Dass es keine gute Idee ist, Desinformation spielerisch zu verpacken – selbst wenn es lustig sein soll – hat schon Make Fake News Great Again gezeigt. Election 2020, You Decide ist ein weiteres Beispiel dafür. Das Recherchezentrum Correctiv warnt: „Gezielte Desinformation wird genutzt, um unsere Gesellschaft zu spalten, Hass zu verbreiten oder Geschäfte zu betreiben.“ Laut der Bundeszentrale für politische Bildung hat Desinformation das Ziel, innerhalb von Gesellschaften geltende Wahrheiten und Glaubenssätze zu (zer)stören: „Oftmals ist es das Ziel, die Legitimität von Institutionen oder Personen zu untergraben, die insbesondere in mehrheitsbasierten, demokratischen Herrschaftssystemen von zentraler Bedeutung sind.“ 

Neben dem Haftungsausschluss findet sich auf der Homepage des Spiels ein weiterer Hinweis. Direkt auf der Startseite steht: „Election 2020 bringt frischen Wind für die Wähler auf beiden Seiten des politischen Spektrums und bietet eine Gelegenheit zu ‚Lasst uns lachen, lasst uns heilen‘ – mit parteiübergreifendem Geplänkel, politischen Faktenchecks und urkomischen Seitenhieben auf die Persönlichkeiten hinter dem Wahlkampf.“ Heilen statt spalten? Auf der Seite kann man nicht nur für 49,95 US-Dollar das Spiel kaufen, sondern für 20,95 Dollar auch T-Shirts mit dem Aufdruck „Let’s Go Brandon“. Der Slogan ist ein Schmähruf gegenüber dem 46. US-Präsidenten und laut Wikipedia ein Synonym für den Schlachtruf „Fuck Joe Biden“. Das ist weder urkomisch noch heilend. Und es ist erst recht keine Satire, sich daran abzuarbeiten, eine Demokratie zu zerstören. Haftungsausschluss hin oder her.

Heilen statt spalten? Quelle: electionfun.com
Quelle: store.electionfun.com
Wohl eher nicht. Quelle: store.electionfun.com

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