Foto: Jakob Gloger

Würfelsammler Jakob Gloger: „Lasse auf Flohmärkten viele Dinge liegen“

Würfeln ist Spiel mit dem Zufall. Das gilt auch für unser Interview mit dem Würfelsammler Jakob Gloger. Wir haben ihm zwanzig Fragen gestellt. Zehn hat er beantwortet. Welche? Das hat ein Würfel bestimmt.


Der Sammler
Jakob Gloger wurde 1991 geboren. Als Mineraliensammler begegnet ihm die geometrische Form erstmals in Fluorit, das in Würfelform kristallisiert. Glogers erste Sammlung bestand nur aus wenigen Würfeln. Auf Flohmärkten werden schnell neue Objekte gefunden. Mit ihnen wuchs das Interesse an der Geschichte des Spielwürfels. Zum Sammeln hinzu kamen das Forschen nach Alter und Herkunft der Objekte. Die Neugier des jungen Sammlers wurde insbesondere durch Würfelautomaten geweckt, deren Mechaniken ihn begeistern. So entsteht eine der größten Sammlungen ihrer Art: zwischen modernen Würfeln aus Las Vegas und den Anfängen des Würfelspiels. Seine Sammlung besteht mittlerweile aus mehr als 10.000 Objekten.

Graue Fragen wurden nicht erwürfelt.

Walzen, Kugeln, Polyeder: Es existieren zahlreiche Würfelformen. Am beliebtesten ist jedoch der Sechsseiter. Warum?
Das wurde bis heute nicht richtig erforscht. Es war nicht absehbar, welche Form sich durchsetzen wird. Es gab früh Stabwürfel, Astragale oder binäre Würfel wie Kaurischnecken. In einigen Teilen der Welt wird heute noch lieber damit gespielt, anstatt mit sechsseitigen Würfeln. Dass der Sechsseiter so beliebt ist, könnte am Erfolg der Backgammon-Familie liegen, die um die 4.000 Jahre alt ist. Dort kommen Sechsseiter zum Einsatz. Eine weitere These stützt sich auf die Mathematik hinter dem Sechsseiter.

Die Evolution dieses Würfeltyps: Der kleinste der drei Würfel stammt vermutlich aus dem frühen 18. Jahrhundert. Ebenfalls werden Exemplare aus Elfenbein hergestellt (weiß). Ende des 19. Jahrhunderts beginnt die „moderne“ Produktion des Monte-Carlo-Modells aus Serpentin durch die Gebrüder Uhlig. Foto: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig.
Die Evolution dieses Würfeltyps: Der kleinste der drei Würfel stammt vermutlich aus dem frühen 18. Jahrhundert. Ebenfalls werden Exemplare aus Elfenbein hergestellt (weiß). Ende des 19. Jahrhunderts beginnt die „moderne“ Produktion des Monte-Carlo-Modells aus Serpentin durch die Gebrüder Uhlig. Foto: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig.

Sie haben mehr als 10.000 Objekte gesammelt, 350 davon wurden vor Kurzem in der Ausstellung „Die Welt als Würfel. 5000 Jahre Glück im Spielgezeigt. Warum gerade diese?

Ein Schwerpunkt der Ausstellung waren Würfelautomaten aus Leipzig. Sie waren früher in der ganzen Welt berühmt, heute ist das Gegenteil der Fall. Wie konnte das passieren?

Die Ausstellung präsentierte einen weiteren Verkaufsschlager: das Spiel Glocke und Hammer. Es kam kurz nach 1800 in Europa auf und war wohl eines der beliebtesten Spiele seiner Zeit. Heute ist es nahezu unbekannt? Weshalb?
Man kann nur darüber spekulieren, wieso sich das Spiel langfristig nicht durchgesetzt hat und es so schnell verschwand wie es aufkam. In den 1970er-Jahren wagte Ravensburger noch einmal den Versuch, das Spiel neu aufzulegen. Jedoch blieb der große Erfolg aus. In meinen Führungen kennen 99 Prozent das Spiel heutzutage nicht mehr.

Glocke und Hammer. Foto: Stephan Krug
Glocke und Hammer. Foto: Stephan Krug

Für das Spiel nutzt man acht Schimmelwürfel, auf denen nur auf einer Seite Punkte (1 bis 6) beziehungsweise Symbole (Glocke und Hammer) sind. Dazu gibt es fünf Spielkarten, die in den meisten Fällen Glocke, Hammer, Glocke und Hammer, Schimmel sowie ein Wirtshaus zeigen. In machen Exemplaren sind zusätzlich ein Würfelbecher, Chips und ein Hammer. Im Spiel werden am Anfang die Karten versteigert. Es handelt sich also um ein Versteigerungsspiel und damit um einen Vorläufer von Monopoly. Danach wurden die acht Würfel geworfen und je nach Kombination und Eregbniss mussten Münzen oder Chips gezahlt werden.

Kronkorken, Bierdeckel, Briefmarken: Menschen sammeln viele Dinge. Wieso haben Sie sich für Würfel entschieden?

Wie viele Würfelsammlerinnen und -sammler gibt es weltweit?

Sie wurden 1991 geboren. Würfel faszinieren Sie seit der Grundschule. Wie hat sich Ihre Sammlung im Laufe der Jahre entwickelt?
Sie hat sich extrem verändert. Anfangs nahm ich die ersten Würfel aus Spielen und legte sie in einen Setzkasten. Früher lag mein Fokus auf Material, Form und Farbe. Nachdem ich auf einem Antikmarkt einen ersten Rovo-Würfelautomaten bekommen habe, war das Feuer entfacht. Danach habe ich alles gekauft, was zu Würfeln passte. Im Laufe der Zeit kamen antike und historische Würfel dazu. Spiele und Würfelautomaten wurden immer interessanter. Mittlerweile besitze ich mehr als 10.000 Objekte. Jetzt steht Qualität anstatt Quantität im Vordergrund. Auf Flohmärkten lasse ich viele Dinge liegen und spezialisiere mich auf ausgefallene Objekte. Ich kuratiere Ausstellungen und halte Fachvorträge auf der ganzen Welt. Das ist für mich eine positive Entwicklung, die am Anfang der Sammelleidenschaft nicht absehbar war.

Was muss ein Objekt haben, damit Sie es in Ihre Sammlung aufnehmen?
Das kann ich nicht so einfach sagen. Vor allem müssen mir Objekte gefallen oder in irgendeiner Art besonders sein. Am liebsten mag ich Gegenstände, die eine Geschichte erzählen.

Was fehlt noch in Ihrer Sammlung?

Wie teuer ist das wertvollstes Objekt?
Ich habe gehofft, dass ich die Frage nicht erwürfele. Ich spreche nicht gerne über den Wert meiner Sammlung oder einzelner Objekte. Viele Dinge haben einfach einen großen ideellen Wert für mich.

Wie lagern Sie Ihre Schätze, damit sie in hundert Jahren noch so aussehen wie heute?

Welcher Gegenstand ist Ihr persönlicher Liebling ?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Herzstück der Sammlung sind mittlerweile die mechanischen Würfelautomaten. Dabei sind die Produkte der Leipziger Firma Erich Röber Apparatebau, besser bekannt als ROVO, meine absoluten Favoriten. Es gibt aber auch einige Würfelspiele, die ich echt sehr schön finde. Ich würde fast sagen, dass es in jedem Bereich der Sammlung Lieblingsobjekte gibt.

Rovo-Würfelautomat. Foto: Nederlands Openluchtmuseum (Arnhem)
Rovo-Würfelautomat. Foto: Nederlands Openluchtmuseum (Arnhem)

Wann ist ein Spiel für Sie ein Würfelspiel, wann ein Brettspiel und wann ein Kartenspiel?

Apropos Definitionen: Was macht einen Zufallsgenerator zum Würfel?
Expertinnen und Experten diskutieren immer wieder wild, wie man einen Würfel definiert. Ich bin bei der Frage offener und zähle auch Dinge wie Würfelkreisel oder -automaten zu den Würfeln. Wenn man die Definition strenger betrachten möchte, ist ein Würfel ein Gegenstand, der nach einem Wurf auf einer waagerechten Ebene, eine von mehreren möglichen Ruhepositionen einnimmt und ein Ergebnis anzeigt. Laut dieser Definition sind einige Zufallsgeneratoren keine Würfel.

Welche Eigenschaften muss ein Würfel besitzen, damit jede Seite mit der gleichen Wahrscheinlichkeit fällt?
Casinos in Las Vegas nutzen Casino – beziehungsweise Präzisionswürfel. Oft geht es dort um viel Geld. Von daher können keine herkömmlichen Würfel genutzt werden, die man aus Spielen, wie Mensch ärgere Dich nicht kennt. Wenn man damit 100.000 Mal würfelt, kommt keine perfekte Gleichverteilung heraus. Anders ist es bei den Präzisionswürfeln. Diese werden auf 0,005 mm genau gefertigt. Darüber hinaus haben das Material des Würfels sowie das Material der Punkte die gleiche Dichte, um auch dort Ungleichverteilung zu verhindern. Nach nur wenigen Stunden am Tisch werden die Würfel ausgetauscht, da sie dann nicht mehr eine gleiche Wahrscheinlichkeit garantieren.

Und wie zinke ich einen Würfel so, dass es in Las Vegas niemand mitbekommt?

Sie haben einen Businessplan für eine Würfel-Dauerausstellung in der Las Vegas aufgestellt. Hat sich schon jemand gemeldet?

Seit wann würfeln Menschen?
Der Würfel ist eines der ältesten Spiel-Kulturgüter der Menschheit und über 5.000 Jahre alt. Die ältesten bisher gefundenen sechsseitigen Spielwürfel kommen aus Tepe Gawra (dem heutigen Irak). Sie stammen aus der Zeit um 2300 vor Christus. Wie bereits erwähnt, waren früher auch andere Würfel beliebt. Ich vermute, dass die ersten Würfel wahrscheinlich binäre Naturprodukte wie Rinde oder Nüsse gewesen sein können.

Die pyramidalen Stabwürfel aus der Sammlung Detlef Rosen sind Nachfolger von Inka-Würfeln. Zu Zeiten der Inka Wayru (Huayru) oder Pichqa genannt, stellen sie selbst ein Spiel dar oder wer- den als Zufallsgenerator für verschiedene Brettspiele genutzt. Mit Stabwürfeln wie diesen wird im südlichen Ecuador noch heute das traditionelle Brettspiel Huayru gespielt. Foto: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig.
Die pyramidalen Stabwürfel aus der Privatsammlung Jakob Gloger ehemals aus der Sammlung Delef Rosen sind Nachfolger von Inka-Würfeln. Zu Zeiten der Inka Wayru (Huayru) oder Pichqa genannt, stellen sie selbst ein Spiel dar oder wer- den als Zufallsgenerator für verschiedene Brettspiele genutzt. Mit Stabwürfeln wie diesen wird im südlichen Ecuador noch heute das traditionelle Brettspiel Huayru gespielt. Foto: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig.

Wie würfeln wir in Zukunft?

Zum Abschluss ein Tipp für alle, die es nicht zur Ausstellung nach Leipzig geschafft haben: Welches Buch über Würfel sollte man unbedingt lesen?
Durch den großen Erfolg der Ausstellung wurde die Laufzeit bis 23. Oktober 2022 verlängert. Von daher haben interessierte Personen noch etwas Zeit. Wer es trotzdem nicht nach Leipzig schafft, kann unser Begleitbuch zur Ausstellung erwerben und hat damit eine Art Ausstellung To-Go.Darüber hinaus gibt es zahlreiche Werke über Spielwürfel.Ein wirklich interessantes Buch ist zum Beispiel Face to Face with Dice von Leo von der Heijdt. Außerdem kann ich alle Werke und Artikel von Ulrich Schädler empfehlen. Er ist meines Erachtens eine der größten Koryphäen auf dem Gebiet der Spieleforschung. Es ist jedoch eine wirklich sehr große Herausforderung, dieses komplexe Thema in einem Buch abzubilden. Wahrscheinlich würde es eher eine Reihe an Werken benötigen, um nur annähernd der Geschichte des Spielwürfels und seinen zahlreichen Seiten gerecht zu werden.

Die Ausstellung
Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig präsentiert in der Ausstellung »Die Welt als Würfel. 5000 Jahre Glück im Spiel« mit der Würfelsammlung des Leipzigers Jakob Gloger eine der weltweit umfangreichsten Sammlungen zur Kulturgeschichte des Spielwürfels. Die interaktive Ausstellung mit zahlreichen Angeboten zum selbst spielen war bis zum 23. Oktober im Haus Böttchergäßchen zu erleben.  

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