Zahlreiche Bücher drehen sich ausschließlich um Gesellschaftsspiele. Aber Spiele tauchen auch in Büchern auf, in denen man sie nicht vermutet. In der Serie Weiterlesen stellen wir diese Bücher vor. Heute: Die Zelle – Rechter Terror in Deutschland, erschienen 2012 bei Rowohlt. Das Buch hat 272 Seiten und kostet etwa 15 Euro.
Dieser Beitrag stammt aus „Null Ouvert – Magazin für analoge Spielkultur“. Mehr Informationen zu dem Heft findet ihr in diesem Beitrag.
Der erste Satz
Es ist ein gewöhnlicher Montagmorgen im Januar bei Familie Böhnhardt in Jena.
Der Inhalt
Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) ermordete mehr als zehn Jahre Migranten in Deutschland ohne gefasst zu werden. Das Buch möchte erklären, wie es dazu kommen konnte und wie aus den drei Mittelschichtskindern Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe Terroristen wurden. Die Autoren schildern, wie die drei Extremisten ihre Taten verübten, wer ihnen half und wie sie ihren Alltag organisierten.
Die Autoren
Christian Fuchs arbeitet für das Investigativ-Ressort der Zeit. Er gewann die Auszeichnung „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ und zählte mehrfach zu den „Journalisten des Jahres“. John Goetz ist
freier Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung und NDR-Redakteur für investigative Recherche im ARD-Hauptstadtstudio. Der Journalist war an der Aufdeckung der CIA-Geheimgefängnisse beteiligt.
Das Spiel
Pogromly ist ein menschenverachtender und volksverhetzender Monopoly-Klon. Die Autoren stellen es auf den Seiten 120 bis 126 vor. Wer mit Reichsmark Häuser kauft, kann kleine Davidsterne verdecken und Städte „judenfrei“ machen. Statt Bahnhöfen gibt es Konzentrationslager. Auf SS- und SA-Karten stehen in Frakturschrift antisemitische und linkenfeindliche Sprüche. Beispiel: „Du hattest auf ein Judengrab gekackt. Leider hattest Du Dir hierbei eine Infektion zugezogen. Arztkosten: 1000 RM.“
Rund um die NSU-Ermittlungen gab es zahlreiche Merkwürdigkeiten und offene Fragen. Mehrere
Untersuchungsausschüsse beschäftigten sich damit. Auch Pogromly spielte dabei eine Rolle. Die Führung des Thüringer Geheimdienstes wusste aus abgehörten Telefongesprächen und von ihrem V-Mann Tino Brandt, dass sich die Terroristen unter anderem über den Verkauf der Pogromly-Spiele finanzieren. Und sie kannten den Mittelsmann, der die rassistischen Bretter in Jena vertrieb. Darum beschlossen sie, eine künstliche Nachfrage zu diesem Spiel zu veranlassen. Brandt erhielt aus Steuermitteln mindestens 1.000 Mark und kaufte von einem gewissen André K. drei, vier oder fünf Spiele. So genau weiß das heute keiner mehr. K. sollte das Geld an das Trio weitergeben. Die Agenten wollten die Übergabe beobachten. Aber sie verloren die Spur. Auch ein zweiter Versuch misslang.