Stefan Brück (alea/Ravensburger). Foto: Ravensburger, Anja Koehler

Stefan Brück über alea, seine Kündigung und die Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger

Stefan Brück war Gesicht und Kopf der Ravensburger-Marke alea. Im Sommer 2020 verließ er den Verlag. Seitdem hat er sich nicht öffentlich geäußert, bis jetzt. Wir haben mit Brück gesprochen – über die Hintergründe seiner Kündigung, seine aktuelle Arbeit und Stefan Feld.


Das Interview ist die Zusammenfassung eines einstündigen Interviews mit Stefan Brück. Das komplette Interview könnt ihr im Podcast Boardcast von Frederik Malsy nachhören.

Du wolltest nach dem Weggang von alea einen eigenen Verlag gründen. Was ist daraus geworden?
Der Plan hat sich größtenteils zerschlagen. Während der Corona-Pandemie hatte ich viel Zeit, um nachzudenken. Dabei habe ich gemerkt, dass ein eigener Verlag zum jetzigen Zeitpunkt zu viel für mich als Einzelkämpfer wäre.

Was machst du stattdessen?
Ich arbeite freiberuflich für Verlage, unter anderem für Ravensburger, Game Factory und Deep Print.

Was heißt das konkret?
Meine Arbeit als Freiberufler ist der bei alea sehr ähnlich. Mit einem großen Unterschied: Früher habe ich eher Kennerspiele betreut, heute eher Familienspiele. Konkret bin ich manchmal wie ein Spieleredakteur. Ich schaue mir Prototypen an, teste sie und arbeite daran. Manchmal bin ich auch ein Lokalisierer und übersetze Spiele vom Englischen ins Deutsche.

Du warst mit alea sehr erfolgreich. Warum hast Du 2020 trotzdem gekündigt?
Wahrscheinlich war der Grund eine Art Ermüdung. Ich hatte große Freiheiten und viele verschiedene Aufgaben, aber nach knapp fünfundzwanzig Jahren wird selbst so eine tolle Arbeit Routine. Außerdem gab es interne Entwicklungen, die mir nicht gefallen haben. Sie haben dazu geführt, dass ich weniger Freiheiten hatte. Ich musste mehr Entscheidungen rückkoppeln. Das hat mich nach fünfundzwanzig Jahren erfolgreicher Arbeit gestört. Ich sah keinen Vorteil darin, nur zusätzlichen Aufwand und auch eine Gefahr der Verwässerung.

Warum gab es diese Veränderungen?
Der amerikanische Markt wurde wichtiger, der Einfluss von Ravensburger Nordamerika größer. Die Burgen von Burgund (BuBu) waren und sind das erfolgreichste alea-Spiel in den USA. Deshalb kamen Fragen auf, was man rund um BuBu noch machen könnte, zum Beispiel ein zweites Spiel. Das waren verständliche Fragen, aber nicht aus meiner Perspektive.

Die Art und Weise wie Amerikaner an Spiele herangehen, unterscheidet sich außerdem von meiner Vorgehensweise. Verallgemeinernd gesprochen leben amerikanische Spiele eher vom Thema, ihrem Material und ihrer Optik. Sie leben viel vom Drumherum, vom Merchandising und von Lizenzen. Das ist schön und gut, aber nicht das, was alea ausgemacht hat. Es ist auch nicht das, was mich bei alea ausgemacht hat.

Konntest Du vor den Veränderungen tun und lassen was Du wolltest?
In der Tat, ja. Ich musste sehr wenige Kompromisse eingehen. Zum Teil wurden alea-Spiele in Konferenzen noch nicht mal gezeigt oder getestet, dafür war keine Zeit. Außerdem handelte es sich um spezielle Spiele, die sowieso nicht jedem Teilnehmer der Konferenz gefallen hätten. Für diese Freiheiten war und bin ich Ravensburger sehr dankbar. Das gab und gibt es nicht oft. Vielleicht war das ein Grund für den Erfolg. Bei alea kam alles aus einer Hand. Es gab einen Tellerwäscher, Koch und Souschef in einer Person – und nicht viele Köche, die den Brei verderben konnten.

Gab es finanzielle Vorgaben?
Die Kalkulationen mussten stimmen. Unterm Strich sollte bei Spielen ein Betrag X herauskommen, damit sie für einen Betrag Y verkauft werden konnten. Hier und da habe ich deswegen Abstriche gemacht, aber keine gravierenden.

Wieso gab es dann Kritik an der Qualität beziehungsweise Ausstattung der alea-Spiele?
Teilweise war die Kritik berechtigt, teilweise überzogen. Gelitten habe ich als Markenverantwortlicher zum Beispiel selbst sehr unter den abwischbaren Stiften von Saint Malo. Die waren schlicht eine Katastrophe, aber dafür ohne den winzigsten Anteil Alkohol. Dass dafür die Hände der Spieler nach jeder Partie total versaut waren, störte den Chef des Qualitätswesens leider weniger. Das war auch intern ein Thema. Ein anderes Beispiel waren die farbigen Plättchenrückseiten bei Carpe Diem. Auf dem Bildschirm konnte man die Grüntöne wunderbar unterscheiden, in der Realität leider weniger.

Früher hast du oft mit Stefan Feld zusammengearbeitet. Habt ihr nach wie vor Kontakt?
Ja, ich habe noch Kontakt zu Stefan. Es war unter anderem auch seine Idee, dass ich einen eigenen Verlag gründen könnte. Die vergangenen Jahr haben wir an einem Spiel dafür gearbeitet. Ich freue mich, dass das Spiel nun bei einem anderen Verlag gelandet ist und ich es weiter begleiten darf. Mehr darf ich dazu noch nicht sagen.

Nach Deinem Weggang von alea wurde Puerto Rico überarbeitet. Der Verlag hat damit auf die Diskussionen um Kolonialismus und Rassismus reagiert. Wie gefällt Dir die neue Version?
Ich habe die Arbeit an der Neuauflage nur am Rande mitbekommen und kenne nur wenige Details über die Vorgehensweise und Änderungen. Persönlich finde ich politische Korrektheit bei einigen Spielen übertrieben. Die braunen Scheibchen bei Puerto Rico war nie Sklaven. Wir haben die Geschichte Puerto Ricos recherchiert. Das Ergebnis: Puerto Rico hatte nach seiner „Entdeckung“ zu wenig Arbeitskräfte. Deshalb wurden Menschen aus der alten Heimat auf die Insel gebracht, als Kolonisten, nicht als Sklaven. Was später geschah, ist eine andere Geschichte. Aber ,unser‘ Puerto Rico hat ja nie zur Zeit der Sklaverei gespielt.

Wenn Menschen, zum Beispiel Puerto-Ricaner, das anders sehen, maße ich mir nicht an, diese Meinungen zu be- oder zu verurteilen. Am Ende sind es aber immer nur Spiele, die wir produzieren oder konsumieren – und nicht Bücher, Abhandlungen oder gar politische Äußerungen.

Ist das nicht eine Abwertung des Kulturgut Spiels gegenüber anderen Kulturgütern wie Büchern oder Filmen?
Spiele haben für mich in erster Linie einen Unterhaltungswert, Filme dagegen einen höheren Aufklärungswert. Je nachdem, worum es in dem Film geht, muss sich dieser eher an der Historie orientieren als ein Spiel. Auch ein Buch, selbst Belletristik, hat meines Erachtens eine tiefergehende Wirkung als ein Spiel.

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In unserem Artikel Puerto Rico 1897: Kulturell korrekte Neuauflage des Brettspielklassikers? erfahrt ihr mehr über die Neuauflage.

Auch Die Burgend von Burgund wurden überarbeitet. Auf Gamefound kostetet die teuerste Variante der Neuauflage inklusive Spielmatten und bemalten Miniaturen 267 Euro. Was hältst Du davon?
Ich bin mir nicht sicher, ob man den Bogen da nicht etwas überspannt hat. Optik und Material werden immer wichtiger. Dahinter versinkt dann oft der Mechanismus. Das ist bei Burgen von Burgund nicht der Fall, denn das Spiel als solches wurde ja nicht geändert. Aber bei anderen Spielen, die so pompös daherkommen, frage ich mich manchmal: Was bleibt, wenn man Komponenten zur Seite legt? Oft nicht mehr als heiße Luft und coole Show. Das ist ein Problem von vielen Crowdfunding-Projekten.

Hast Du Kontakt zu Deinem Nachfolger André Maack?
Ja, ich habe einen regelmäßigen und sehr guten Kontakt zu André und betreue für Ravensburger in erster Linie alea-Projekte. Das zeigt auch, dass wir uns im Guten getrennt haben.

Was waren Deine Aufgaben bei den vergangenen alea-Neuheiten?
Bei Dungeons, Dice and Danger habe ich eng mit André und Thorsten Gimmler zusammengearbeitet. Der Prototyp lag bereits zu meiner Zeit auf dem Tisch der alea-Redaktion. Damals stimmte aber vieles noch nicht. Bei Council of Shadows war ich weniger involviert.  Ich habe mich ein bisschen schwergetan mit dem Spiel, denn der Mechanismus wollte nicht so richtig in mein Blut. Später habe ich aber die Spielregel satzfertig bearbeitet.

Ganz früher hast Du selbst Spiele entwickelt, zum Beispiel 1989 Tom & Jerry: Das große Rennen. Wann kommt das nächste Spiel von Dir?
Nach meiner Kündigung hatte ich viel Freizeit und habe versucht, Spielideen zu entwickeln und zu vertiefen. Ich bin gescheitert. Wenn mich Verlage ansprechen und bitten, zu einem Thema oder einer Lizenz Inspirationen zu liefern, kann ich durchaus Ideen entwickeln. Aber ein komplettes Spiel entwickele ich nicht. Das war im Grunde schon immer so. Ich war nie Autor, sondern immer Redakteur.

Stefan Brück und alea
Stefan Brück wurde 1961 geboren. In den 90er Jahren war er beim Verlag F.X. Schmid für das gesamte Spieleprogramm verantwortlich. Mit der Übernahme von F.X. Schmid durch Ravensburger begann für ihn 1997 die Ära alea. Seit der Übernahme war Brück alleinverantwortlich für alea – als Redakteur, Produktmanager und Kopf der Marke. 1998 wurde alea auf der Spiel in Essen erstmals öffentlich präsentiert, mit dem produktionsreifen Prototype von Ra. Die Spielwarenmesse 1999 war dann der offizielle Start. Los ging es mit den ersten beiden Spielen: Ra von Reiner Knizia und Chinatown von Karsten Hartwig. Seitdem haben alea-Spiele zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten. Brück verließ alea im Sommer 2020. Sein Nachfolger ist André Maack.

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