Foto: Peggy und Marco Lachmann-Anke, Pixabay

Die letzte Instanz

Es ist wie beim Fußball. Bei den Deutschen Brettspielmeisterschaften passen Schiedsrichter auf, dass niemand schummelt. Im Interview mit zuspieler.de verrät die Schiedsrichterin Kathrin Nos, wie sie bei einem Foulspiel reagiert, welche technischen Hilfsmittel zum Einsatz kommen und welche Aufputschmittel ganz offiziell erlaubt sind.


Hinweis: Das Interview erschien erstmals 2012 auf zuspieler.de

Angehende Fußball-Schiedsrichter müssen eine Prüfung ablegen, bevor sie Liga-Spiele pfeifen. Wie wird man Schiri für Brettspiele?
Ganz ohne Prüfung. Unsere Mannschaft qualifizierte sich 2011 fürs Finale der Deutschen Brettspielmeisterschaft. Nach dem Wettkampf befragten wir als Journalisten Jo Weigand und Peter Janshoff für das Spielermagazin Fairplay. Jo war seinerzeit Schiedsrichter und somit unser Vorgänger, Peter ist der Leiter des Spielezentrums Herne. Zugleich war der Termin ein Abschied von Jo. Er hatte aus persönlichen Gründen bei der Preisverleihung seinen Rückzug als Schiedsrichter verkündet. Peter Janshof fragte uns, ob wir bereit wären, seine Nachfolge anzutreten.

Dieses Jahr waren Peter Nos und Du deshalb nicht als Teilnehmer, sondern als Unparteiische bei der Deutschen Brettspielmeisterschaft. Wie habt Ihr Euch auf das Turnier vorbereitet?
Unsere erste Aufgabe war die Auswahl der Spiele. Auf der Spielwarenmesse in Nürnberg haben wir uns in Absprache mit den Verlagen und Peter Janshoff für die Finalspiele entschieden.

Welche Kriterien müssen die Spiele erfüllen?
Die Anforderungen ergeben sich aus der Art des Turniers. Jedes Spiel muss zu viert spielbar sein und eine eindeutige Rangfolge des ersten bis vierten Platzes erlauben. Letzteres darf auch durch Regelmodifikation passieren. Wir haben zum Beispiel die Gleichstandsregelung für den Sieg bei Waka Waka auf die Plätze zwei bis vier übertragen. Es spielten die Anzahl an Goldstücken und die Reihenfolge des Aufstiegs eine Rolle.

Die Spiele dürfen nicht zu lange dauern. Endet eine Partie frühstens nach zwei Stunden, sprengt das den Zeitrahmen. Schließlich kommen vier verschiedene Spiele auf den Tisch. Die Teilnehmer reisen aus ganz Deutschland an und haben nach dem Turnier oft noch eine weite Heimfahrt vor sich.

Außerdem muss ein Spiel rechtzeitig fertig sein. Einige Neuheiten stehen erst im April oder Mai in den Läden. Für die Meisterschaft ist das zu spät. Die Mannschaften brauchen Zeit fürs Training.

Zu guter Letzt sollten vier Spiele von vier Verlagen und vier Autoren zum Zug kommen. Mit diesen Kriterien können wir die Spiele auf eine überschaubare Anzahl an Kandidaten eingrenzen.

Adidas zahlt an die Fifa viel Geld, damit das Unternehmen den EM-Ball produzieren darf. Zahlen Spieleverlage auch Geld, damit ihre Spiele im Finale auf den Tisch kommen?
Nein. Die Verlage müssen aber bereit sein, eine bestimmte Anzahl an Exemplaren ihres Spiels zur Verfügung stellen. Zum einen, damit die Teams im Vorfeld üben können. Die Trainingsexemplare kaufen sie über das Spielezentrum. Der Erlös deckt die Unkosten für die Organisation, Helfer, die Raummiete und die Verpflegung. Zum anderen benötigen wir die Spiele für das Turnier selbst. Hier verwenden wir nur originalverpackte Werke. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass keine gezinkten Exemplare mitgebracht werden.

Zurück zu den Vorbereitungen. Wie geht es weiter, wenn die Finalspiele feststehen?
Sobald die Spiele feststehen, spielen wir sie intensiv. Wir überlegen uns, welche Regelunklarheiten auftauchen können und ob wir Regeln ändern müssen. Bei Santa Cruz war bereits in Nürnberg klar, dass die Spieler die Vogelchips von der Seite unterscheiden können. Die roten Papageien für drei Punkte sind erkennbar. Das war ein leicht zu lösendes Problem: Im Turnier zogen die Spieler die Chips aus einem Beutel. Außerdem ändern wir prinzipiell bei allen Spielen die Startspielerreihenfolge. Vor dem Turnier wird ausgelost, an welchem Tisch ein Spieler welches Spiel absolvieren muss. Er wird einmal Startspieler sein, und je einmal als Zweiter, Dritter und Vierter beginnen.

Ab März trudelten auch Fragen von Teilnehmern ein. Klassiker sind Fragen nach der Auflösung von Gleichständen, sowie welches Material offen und welches verdeckt gehalten wird. Manche Frage beantwortet ein Blick in die Regeln. Zur Lösung von komplizierteren Sachverhalten haben wir die Autoren oder Ansprechpartner bei den Verlagen angeschrieben.

Damit ist Eure Arbeit noch nicht vorbei. Schließlich müsst Ihr auch beim Turnier selbst aufpassen. Welche Fouls habt Ihr in Herne geahndet?
Mit dem Wort Foul ist eine bewusste Behinderung gemeint. So etwas habe ich bei Brettspielmeisterschaften noch nie erlebt. Die Stimmung ist wettkampforientiert, aber fast durchweg freundlich. Manche Spieler nehmen es sehr ernst. Hier ist es wichtig, eine klare Linie bei Entscheidungen zu fahren und diese freundlich aber bestimmt durchzusetzen. Das hat in den wenigen Fällen, in denen wir eingreifen mussten, sehr gut geklappt. Als schönes Erlebnis empfanden wir es, dass ein Spieler sich bei der Preisverleihung entschuldigte. Seine Emotionen kochten in der letzten Partie etwas hoch.

Einige Sportler schlucken Tabletten zur Leistungssteigerung. Welche Aufputschmittel sind bei den Brettspielmeisterschaften zugelassen?
Zum Aufputschen stehen Getränke bereit. Kaffee und Cola sind zur Aufrechterhaltung des Koffeinspiegels explizit erlaubt. Im Laufe des Tages gibt es auch einen Imbiss. An den Tischen selbst darf nichts verzehrt werden – schließlich sollen die Spiele nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Aber die Sieger müssen sich nach dem Abpfiff nicht einem Dopingtest unterziehen, oder?
Nein, im Gegenteil: Es werden weitere Drogen verabreicht. Die Siegermannschaften dürfen mit einem Glas Sekt auf ihren Erfolg anstoßen.

Die Fifa diskutiert schon lange über den Videobeweis. Welche technischen Hilfsmittel nutzen die Schiris bei den Brettspielmeisterschaften?
Das wichtigste technische Hilfsmittel ist der Computer. Dieser erfasst die Mannschaftsdaten (Name der Mannschaft und der Spieler), führt die Auslosung der Begegnungen durch, bietet eine Oberfläche zur Erfassung der einzelnen Spiele und wertet schließlich die Mannschafts- und Einzelspielerplätze aus.

Zwei Mitarbeiter des Spielezentrums unterstützten Peter und Dich. Wie behalten nur vier Personen den Überblick, wenn 150 Menschen gleichzeitig spielen?
Das funktioniert problemlos. Die Spieler finden ihre Plätze, beginnen das Spiel aufzubauen und starten ihre Partie. Während der Partien gehen wir durch die Reihen. Weniger um Kontrolle auszuüben, sondern mehr zur Abschätzung der Spieldauer und um präsent zu sein, falls kleinere Fragen auftreten. Wenn es an einem Tisch eine Unklarheit, Regelfrage oder den Bedarf nach einer Schiedsrichterentscheidung gibt, geht das wie in der Schule: per Handheben. Dann kommen wir an den Tisch und treffen eine Entscheidung …

… die wie lautet?
In einem Fall hatte ein Spieler bei Africana eine erfüllte Expedition übersehen und wollte diese nach dem offiziellen Zugende werten. Durch das Aufdecken einer neuen Expedition konnten wir das Ende des Zuges nachvollziehen. Die Turnierregel besagt, dass ein Zug nur zurückgenommen werden darf, wenn alle am Tisch einverstanden sind. Hier hatte aber ein Spieler sein Veto eingelegt. Daher fand die Wertung zu diesem Zeitpunkt nicht statt. Ein anderes Mal kam die Frage auf, ob die Güter bei Village offen oder verdeckt gesammelt werden. Die Antwort lautet offen. Grundsätzlich lehnen wir solche künstlichen Memory-Elemente ab.

Beim Fußball gibt es Assistenten und den Hauptschiedsrichter. Gibt es bei den Brettspielmeisterschaften auch einen Oberschiedsrichter, der das letzte Wort hat?
Peter und ich. Mit der Teilnahme an der Brettspielmeisterschaft verpflichten sich die Teams, dies anzuerkennen.

Seid Ihr auch für das kommende Jahr als Schiris am Start?
Ja. Die Zusammenarbeit mit dem Spielezentrum war prima. Unsere Aufgabe hat uns viel Spaß gemacht. Wir freuen uns aufs nächste Jahr und sind gespannt, welche Spiele für die Auswahl in Frage kommen.

Übrigens: Den Titel Deutscher Brettspielmeister gewann dieses Jahr die Mannschaft Brettspielteam Hamburg (vormals: „Name“) aus Hamburg. Der Vorjahressieger, die Mannschaft „Aachener Fantastics“ aus Aachen, erreichte den sechsten Platz.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert