Foto: Isaac Cruikshank, Wikipedia

Brettspielknigge: Gute Tischmanieren

Was sind gute Spieletischmanieren? Wie lange darf man über seine Züge grübeln? Muss man Kinder auch mal gewinnen lassen? Und dürfen Rezensenten Spiele zerreißen? Ein Interview mit Moritz Freiherr Knigge über fettige Finger, lautlose Mobiltelefone und schlechte Spielzüge.


Moritz Freiherr Knigge hat nicht nur mehrere Büchern veröffentlicht, sondern vor Kurzem auch vier Kartensets im moses.Verlag. Jedes Set besteht aus fünfzig Karten mit Tipps und Anregungen für ein besseres Miteinander. Mal dreht sich dabei alles ums Essen, mal ums Büro und mal um unsere Umwelt. Um Spiele geht es nie. Wir haben deshalb bei Knigge nachgefragt, wie man sich am Spieletisch verhalten sollte.

Sollte ich Mitspieler auf schlechte Züge hinweisen?
Kindern oder Neulingen gebe ich gerne Tipps, weil der Spielspaß für alle steigt, wenn jeder schnell die Basics beherrscht, auch wenn das mal zu Lasten anderer geht.Bei erfahrenen Spielerinnen und Spielern halte ich mich lieber zurück, weil hier jeder seines Glückes Schmied sein sollte. Auch wenn mir das manchmal echt schwer fällt, wenn ich sehe, dass die Chance einen besseren Zug zu machen oder eine bessere Karte zu legen vertan wird.

Muss ich meine Kinder auch mal gewinnen lassen?
Ich bin da immer ein wenig hin und her gerissen. Einerseits gibt es Kindern Selbstvertrauen, wenn Ihnen etwas gut gelingt, wenn sie Erfolge feiern. Andererseits haben Kinder ein sehr gutes Gespür dafür, ob ihre Erfolge echt oder fake sind. Gewinnen lassen ist ein bißchen wie Schummeln. Ich erinnere mich gerne an einen Onkel von mir, der dafür bekannt war, dass er niemanden von 0 bis 99 absichtlich gewinnen ließ. Den anderen Erwachsenen ging sein Ehrgeiz im Spiel eher auf die Nerven. Ich habe es immer geliebt gegen ihn zu spielen. Weil er das Spiel ernst nahm und ein Erfolg gegen ihn, ob bei Stadt-Land-Fluß, Malefiz, Mau-Mau oder Spiel des Lebens, sich als kleiner Mensch immer wie ein großer Sieg anfühlte.

Ist es unhöflich, während des Spielens zu Essen und zu Trinken?
Grundsätzlich halte ich Essen und Trinken während des Spiels nicht für unhöflich. Und doch sollten Chips und Schokolade oder beispielsweise Getränke auf dem Teppich warten, bis das Spiel zu Ende ist. Weil fettige Finger auf Memory-, Poker- oder Uno-Karten ebenso unschön sind wie Kakao- oder Rotwein-Überschwemmungen dem Spielspaß ein Dorn im Auge sind.

Sollte ich mein Mobiltelefon am Spieletisch ausschalten?
Grundsätzlich ein klares Ja. Zumindest auf lautlos. Weil mit Spielbeginn das Spiel und die Gemeinschaft im Vordergrund stehen. Konzentration auf das Wir und Jetzt. Doch wie immer im Leben gibt es auch für den Spieleabend Ausnahmen: Wer einen wichtigen Anruf oder eine dringende Nachricht erwartet, der darf sein Handy natürlich anlassen und sogar auf den Tisch legen. Er oder Sie sollte nur seine Mitspielerinnen und Mitspieler im Vorfeld darüber unterrichten, warum sein Handy da liegt wo es liegt.

Wie lange darf ich über meine Züge grübeln?
Beim Grübeln über den nächsten Zug gilt das Gleiche wie beim Warten auf sein Essen im Restaurant. Es gibt einen natürlichen Zeitpunkt, wann das Grübeln des Grübelnden zu viel wird. Eine innere Uhr. Es wird unruhig am Tisch, ein erstes Raunen, Gespräch beginnen, es wird auf dem Stuhl hin und her gerutscht, nach Ablenkung gesucht bevor einer ausspricht, was alle bis auf die Grübelnden denken: Heute noch? Kommt dies öfter vor hat es mir immer geholfen, sich auf eine verbindliche Grübel-Zeit zu einigen. Ob Sanduhr oder Handy-Timer. Auch wenn dann doch das Handy auf dem Tisch liegt.

Angenommen, ein Mitspieler liegt in Führung und gewinnt demnächst wahrscheinlich. Darf ich andere Personen am Tisch darauf aufmerksam machen und sie auffordern, den Mitspieler anzugreifen oder zu blockieren?
Der Spieletisch ist ja ein sehr emotionaler Ort. Und aus Spiel wird schnell Ernst, weil gewinnen schön und verlieren zwar zur Charakterbildung beitragen soll, aber doof ist. Und so versuchen wir alles in unsere Macht stehende zu tun, um unseren Glauben an den Sieg so lange wie möglich aufrecht zu halten. Notfalls durch Aktivierung derjenigen, die gerade unsere Mitspieler sind. Solange bis sie zu unseren Gegenspielern werden. Allianzen wechseln im Spiel ja recht schnell. Um es kurz zu machen: Mit jedem Eingriff ins Spiel abseits der eigenen Züge kann man sich Freunde und Feinden machen. Wer nur ans Gewinnen denkt, dem ist das egal. Wem auch daran liegt als fairer Spieler zu gelten, der sollte sich mit Aufforderungen zum Angriff oder zur Blockade zurückhalten.

Muss ich mich an Absprachen halten?
Da fällt mir spontan der wunderbare Satz eines Freundes ein. Der einmal zu mir sagte: Wer bei Spielen betrügt, der betrügt auch im Leben.

Sollte ich beim Aufräumen helfen?
Müssen müssen wir wenig. Aber wer anderen ständig das Aufräumen überlässt, der verbringt über kurz oder lang den nächsten Spieleabend wie Kevin: allein zu Hause.

Angenommen, die Gruppe einige sich ein Spiel, auf das ich absolut keine Lust habe. Muss ich trotzdem mitspielen; selbst, wenn es Monopoly ist?
Spiele sollen Spaß machen. Am besten allen Spielerinnen und Spielern. Ich habe in meinen Gruppen gelernt, dass eigentlich alle ein Spiel haben auf das sie gut verzichten können. Meist sind es die selben. Und so haben wir gute Erfahrungen mit einem Vetorecht gemacht. Jeder darf ein Spiel ablehnen. Danach heißt es: Augen zu durch. Und so manch einer hat während des Spiels festgestellt, dass sich so manche Abneigung in Zuneigung verwandelt, wenn man auf einmal die Schlossallee sein eigen nennt.

Darf ich als Rezensent ein Spiel zerreißen, in das Autor und Verlag viel Arbeit gesteckt haben?
In der Schule habe ich gelernt, dass Kritik begründete Beurteilung bedeutet. Wer also gute Gründe hat ein Spiel zu kritisieren, der tue sich keinen Zwang an. Eine gute Kritik besticht ohnehin nicht dadurch, dass sie ein Spiel besonders gut oder schlecht bespricht, sondern ob sie den Kardinalfehler der Kritik vermeidet: Eitelkeit. Eine eitle Kritik ist schlimmer als das langweiligste Spiel.

Darf ich Züge zurücknehmen?
Berührt geführt, wissen schwarze Damen und weise Könige. Doch beim Spielen mit Kindern – ob Schach, Backgammon oder Diego Drachenzahn – ist die Erlaubnis Züge zurücknehmen zu dürfen, eine schöne Möglichkeit, das jeweilige Spiel zu erlernen. Weil ich mehr über die Regeln und Strategien des jeweiligen Spiels erfahre und gleichzeitig lerne, mich vor dem nächsten Zug zu konzentrieren und meine Möglichkeiten besser gegeneinander abzuwägen. Je reifer hingegen die Spielerinnen und Spieler sind, desto weniger sollte man um eine Zurücknahme des eigenen Zuges bitten. Ob man diese anderen gewährt, das überlasse ich gerne dem Wohlwollen derjenige, die eigentlich am Zug wären.

Wie freue ich mich angemessen über meinen Sieg ?
Schlimmer als schlechte Verlierer sind schlechte Gewinner. Freude über den eigenen Sieg ist ganz natürlich und sollte immer Willkommen sein. Was nervt ist Selbstbeweihräucherung und die Analyse danach. Warum man so gespielt hat, wie man gespielt hat und warum der Sieg verdient und zwangsläufig war. Unabhängig davon wie hoch die Zufallskomponente des jeweiligen Spiels ist. Überhaupt gilt: Im Sieg möglichst wenig Worte machen, auch Mitleidsbekundungen gegenüber den Verlierern sollten kurz und knackig ausfallen und stattdessen lieber die nächste Runde gespielt werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert