Wirtschaftsmechanismen sind in Gesellschaftsspielen allgegegenwärtig. Spieler produzieren Waren, handeln mit Rohstoffen und bezahlen ihre Aktionen mit Geld. Klaus Teuber, Autor von „Die Siedler von Catan“, erklärt, was Unternehmer am Spieltisch lernen können. Und Ulrich Blum, Sprecher der Spiele-Autoren-Zunft (SAZ), verrät, warum in vielen Spielen der Kapitalismus wie im Lehrbuch funktioniert.
Hinweis: Das Interview ergänzt einen Artikel, der in der Wirtschaftswoche 5/2013, erschienen ist und erschien erstmals 2013 auf zuspieler.de
Auf
der Onlineplattform Xing schreiben 228 Personen, dass sie „Die Siedler
von Catan“ mögen. Darunter Geschäftsführer, Unternehmensberater und
Projektmanager. Monopoly kommt nur auf 72 Anhänger. Warum ist Catan bei
Managern beliebter als Monopoly, das ja als das kapitalistische Spiel
schlechthin gilt?
Teuber: Monopoly ist ein lebensnahes und
konsequentes Spiel. Wer nicht aufpasst oder Pech hat, fliegt raus. Das
passiert Managern im echten Leben auch. Wenn sie Fehler machen oder Pech
haben, purzeln sie die Karriereleiter hinunter. Vielleicht gefällt
Unternehmern Monopoly deshalb nicht. Außerdem müssen sie bei dem Spiel –
wie in der Wirklichkeit – ständig finanzielle Engpässe verwalten. Bei
„Die Siedler von Catan“ hantieren die Spieler nicht mit Geld, sondern es
dominiert der urtümliche Handel mit Rohstoffen. Diese werden
eingesetzt, um ein kleines Reich mit Straßen, Siedlungen und Städten zu
erschaffen. Die eigene Existenz auf dem Spielfeld ist nie bedroht. Man
mag zwar verlieren, kann aber dennoch stolz auf das Erschaffene blicken.
Was braucht es, damit Manager am Spieltisch noch etwas lernen?
Teuber:
Manager gehen durch eine harte Schule. Ein Gesellschaftsspiel kann
ihnen wirtschaftstheoretisch kaum mehr etwas beibringen. Aber sicher
kann das eine oder andere Spiel Einblick in die menschliche Psyche
liefern. Pokern, überreden, klagen oder täuschen – das alles kommt in
Spielen und im realen Leben vor. Im Spiel erfährt man viel über das
Verhalten seiner Mitmenschen.
Warum steht das nicht auf der Schachtel? Bei Kinderspielen werben die Verlage doch auch offensiv mit Lerneffekten.
Teuber:
Eltern oder Großeltern kaufen Kinderspiele. Sie greifen gerne zu
edukativen Spielen, da diese versprechen, ihren Kindern Wissen zu
vermitteln und sie voran zu bringen. Der Spielspaß ist bei der
Kaufentscheidung oft zweitrangig. Erwachsene erhoffen sich von einem
Spiel gute Unterhaltung, Urlaub vom Alltag und gesellige Stunden.
Gelernt hat man schon das ganze Leben lang. Lernen gehört zum Alltag,
den man beim Spielen gerne für ein paar Stunden ausblenden möchte.
Spiele für ältere Kinder und Erwachsene, die mit Lerneffekten werben,
haben daher am Markt kaum eine Chance.
Bei
fast allen Wirtschaftsspielen funktioniert der Kapitalismus noch wie im
Lehrbuch. Profit und Siegpunkte sind alles. Finanzkrisen,
Gewerkschaften oder Konsumentenboykotte sind Fremdwörter. Warum?
Blum:
Wie Herr Teuber schon sagte. Die meisten Menschen möchten beim Spielen
nicht an die Arbeit erinnert werden. Deshalb kleiden die Verlage
Wirtschaftsspiele häufig in ein historisches Gewand. Norditalien während
der Renaissance oder die Niederlande in der Reformationszeit sind
beliebte Schauplätze. Zu dieser Zeit tauchten viele der heutigen
Wirtschafts-Mechanismen das erste Mal auf. Außerdem ist es ein schöneres
Gefühl, in einem System zu agieren, das sich positiv entwickelt,
anstatt sich mit Krisen zu beschäftigen. Wobei es durchaus Spiele zur
niederländischen Tulpenmanie oder zu Börsenabstürzen gibt.
Muss ein Autor etwas von Betriebswirtschaftslehre verstehen, um ein gutes Strategiespiel zu entwerfen?
Blum:
Es kommt darauf an, welche Mechanismen er nutzt. Es gibt viele Spiele,
die sich mit einer Angebot-und-Nachfrage-Situation beschäftigen. Hier
sind ökonomische Grundkenntnisse sicher hilfreich. Spätestens wenn ich
Begebenheiten der realen Wirtschaft abbilden will, ist es unabdingbar
sich mit ökonomischen Themen zu beschäftigen.
Wieso?
Blum:
Reale Marktmechanismen sind sehr komplex. Bei der Abbildung in einem
Spiel muss der Autor einige Faktoren herausgreifen, die ihm wichtig
erscheinen. Aus diesen Faktoren ein funktionierendes Spiel zu bauen, ist
aufwändig. Insbesondere das Austarieren der Preise und Mechanismen
erfordert Zeit. Ein Spielsystem reagiert auf kleine Regeländerungen
manchmal erstaunlich heftig. Hier die Balance zu finden, erfordert viele
Tests.
Zurück zu Catan: Herr Teuber, mit welcher Taktik haben nicht nur Manager eine Chance auf den Sieg?
Teuber:
Bei „Die Siedler von Catan“ ist nicht nur strategische Voraussicht und
taktisches Geschick gefragt, sondern auch soziale Kompetenz. Es kann
hilfreich sein, im rechten Moment ein wenig zu klagen, damit man nicht
vom Räuber heimgesucht wird. Der größte Anfängerfehler, ist es außerdem
schon zu Spielbeginn in die Siegpunktekarte „Längste Handelsstraße“ zu
investieren und den Siedlungsbau zu vernachlässigen. Das ist, als würde
ein Unternehmen Investitionen tätigen, die kurzfristig das Renommee der
Firma heben, aber keinen nachhaltigen Ertrag erwirtschaften.