Als Kritik am Monopolkapitalismus konzipiert, entwickelte sich Monopoly zu einem der größten wirtschaftlichen Erfolge der Spielgeschichte. Das Spiel war und ist ein Spiegel der Gesellschaft und ihrer Wirtschaftssysteme.
Philadelphia, mitten in der Weltwirtschaftskrise: Charles Darrow sitzt am Küchentisch und erfindet einen Welterfolg. Der arbeitslose Heizungsbauer schnitzt aus Holzabfällen Häuschen. Er zerschneidet Pappkartons und beschriftet sie mit Zahlen. Auf ein rotes Wachstuch kritzelt er Straßennamen und bunte Felder. Drauf stellt er einen Fingerhut, eine Garnrolle und einen Armreif als Spielfiguren. So ähnlich muss es gewesen sein als eines der bekanntesten Brettspiele aller Zeiten entstand: Monopoly. Auch in der DDR schacherten die Bürger um Straßen und Mieten. Kein anderes Gesellschaftsspiel kopierten sie so oft wie Monopoly. Sehr zum Missfallen von SED-Politikern und Stasi-Mitarbeitern. Für sie war der Kampf um Häuser, Hotels und Hypotheken eine unerwünschte Lobhuldigung des Kapitalismus. Sozusagen der Teufel in Brettspielform. Dabei warb Monopoly ursprünglich für ein Wirtschaftssystem, in dem alle Menschen vom Fortschritt profitieren, nicht nur Großgrundbesitzer.
Erst Landlord’s Game, dann Monopoly
„Monopoly war ein Geschenk des Himmels und ein Kind seiner Zeit. Es gaukelte den Leuten vor, dass sie auch in der Realität mit dem Kauf und Verkauf von Grund und Boden ein Vermögen machen könnten“, sagte Robert Barton, der ehemalige Präsident von Parker. Das große Geld scheffelte aber vor allem der Spieleverlag. Das Unternehmen sicherte sich 1935 die Rechte von Darrow und verkaufte innerhalb eines Jahres über eine Million Monopoly-Ausgaben – und das mitten in der Weltwirtschaftskrise. Darrow, der Vater des Spiels, wurde durch die Lizenzeinnahmen ebenfalls zum Millionär. Die Mutter des Spiels verdiente dagegen nur 500 US-Dollar daran.
Elizabeth Magie, später Phillips, entwarf 1904 das Landlord’s Game. Es thematisiert die monopolkapitalistischen Tendenzen der Großgrundbesitzer. Das Spielbrett ähnelte dem Monopolyplan. Auf jeder Seite befanden sich neun rechteckige Eigentumsfelder, dazu Gefängnis und Armenhaus. „Das Landlord’s Game war zeitkritisch, anders als die meisten damals bekannten Spiele. Es war komplex mit ungewohnt ausführlichen Regeln. Magie ließ sich das Spiel schützen. Anfang der zwanziger Jahre erfand sie Häuser und Hotels dazu als klar wurde, dass Immobilien auf Grundstücken oft mehr Wert waren als große Ländereien“, erklärt Peter Lemcke, Gründer des Deutschen Spielemuseums in Chemnitz. Darrow kannte das Landlord’s Game und ließ sich davon inspirieren. Den ehemaligen Parker-Präsidenten Randolph Barton störte das nicht: „Tatsache ist, dass Darrow die Dinge zusammenfügte. Er brachte das Spiel auf den Markt und verkaufte es an uns. Damals gab es eine Menge Leute, die mit Grundstücksspielen handelten. Darrow war der Bursche, der mit seinem Spiel herauskam und sein Glück machte, in bester Tradition des amerikanischen Traums.“ Sicherheitshalber erwarb Parker trotzdem die Rechte von Magie – für 500 US-Dollar. Später gingen diese an Hasbro über.
Single-Tax-Theorie: Monopoly ohne Bodenspekulationen
Den Handel hat Magie laut Hasbro nie bereut. Ihr Ziel war nicht das große Geld, sondern die Verbreitung einer Idee. Sie wünschte sich, dass durch das Spiel die Single-Tax-Theorie im Gespräch bleibt. Das ist ihr nicht gelungen. Kaum ein Monopoly-Spieler kennt die Wirtschafts-Theorie. Sie stammt von dem Ökonomen Henry George. Er schrieb Ende des 19. Jahrhunderts in seinem Buch „Fortschritt und Armut“: „Die große Ursache der Ungleichheit in der Güterverteilung ist die Ungleichheit im Grundbesitz. Um die Armut auszurotten, müssen wir an die Stelle des individuellen Grundbesitzes den gemeinsamen Besitz setzen.“ Der Ökonom forderte keine Enteignung, sondern eine Steuer auf den Boden, den Grundbesitz. Alle anderen Steuern wollte er abschaffen. Magie gefiel die Vorstellung. Mit dem Landlord’s Game wollte sie zeigen, dass alle von einer Single-Tax profitieren. In ihrem Spiel gab es eine Variante ohne Bodenspekulationen. Darin wurden die meisten Spieler immer wohlhabender.
Mit den heutigen Regeln gewinnt nur ein Spieler. Er muss alle Konkurrenten in den Ruin treiben. Ob dieses Prinzip den Kapitalismus feiert oder verdammt, kommt auf die Sichtweise an. „Das Schlüsselwort heißt Affirmation. Vereinfacht gesagt: zustimmende Übertreibung. Die affirmative Wirkung von Monopoly entsteht, wenn alle Spieler mit Leidenschaft sich bis zum bitteren Ende bekämpfen und alles verlieren. Hier wird das monopolkapitalistische Prinzip auf die Spitze getrieben. Die Spieler erleben im affirmativen Probehandeln Magies Kritik am Monopolkapitalismus, gleichzeitig lernen sie sich in der Gesellschaft zu behaupten“, erklärt Lemke.
Nach dem Erfolg in den Vereinigten Staaten von Amerika exportierte Parker Monopoly in andere Länder. In Deutschland erhielt Schmidt 1936 die Rechte daran. Das Spiel gefiel den Bundesbürgern, so viel ist sicher. Unklar ist, warum Monopoly im Dritten Reich aus den Kaufhausregalen verschwand. Verbot Joseph Goebbels das Spiel wegen seines angeblich „jüdisch-spekulativen Charakters“? Oder missfiel dem Propagandaminister die deutsche Übersetzung? Das Prominentenviertel Schwanenwerder, in dem auch Goebbels residierte, fand sich mit Wuchermieten auf den Spielplan wieder. Sollte das Volk von dem luxuriösen Lebensstil des Politikers nichts wissen? Fest steht, dass Monopoly 1938 das letzte Mal im Katalog von Schmidt Spiele auftauchte.
Nachgemacht: Monopoly-Kopien in der DDR
Im Ostblock existierte das Spiel offiziell erst seit Ende der achtziger Jahre. Kommunisten und Sozialisten waren sich einig: Das Spiel um Mieten, Macht und Moneten stachele die Raffgier an. „Auch Josef Stalin konnte und wollte sich wegen dessen angeblicher Dekadenz nicht mit Monopoly anfreunden. Grund genug, das Spiel aus dem kapitalistischen Ausland zu verbieten. Kein Monopoly sollte das Territorium der DDR erreichen. In Westpaketen versteckte Exemplare wurden konfisziert“, informiert Hasbro.
Die DDR-Bürger ließen sich davon nicht beeindrucken. Sie kopierten Monopoly eifrig. Bei manchen Nachbauten handelte es sich um detailgetreue Plagiate, andere enthielten autobiografische Elemente. Auf eine Monopoly-Ereignis-Karte aus Leipzig kritzelte eine Jugendliche: „Dein Kind hat sich ein Bein gebrochen, gehe in die Querstraße und bezahle.“ An der Adresse stand früher tatsächlich die Leipziger Kinderchirurgie. Bei einer Monopoly-Kopie aus Hönow bei Berlin verschmolzen reales und fiktives Wirtschaftsleben auf besondere Weise. Die Besitzerin stapelte das Monopoly-Geld in einer Holzkiste mit mehreren Fächern. Darüber steht in Druckbuchstaben: Miete, Versicherung und Sparbuch. Bevor das Spielgeld in die Kiste wanderte, bunkerte die Frau darin ihr Haushaltsgeld. Das Beispiel zeigt: Die Spieler in der DDR mussten beim Nachbau oft improvisieren: „Wir sägten die Häuser aus Vierkantleisten und bemalten sie. Das Spielfeld zeichneten wir auf Buntpapier, klebten es auf Sperrholz und überpinselten es mit Lack. Die Ereigniskarten tippten wir mit einer Schreibmaschine“, erinnert sich eine Spielerin aus Wolfen, einer Kleinstadt zwischen Dessau und Leipzig. Andere zweckentfremdeten Materialen aus vorhandenen Spielen. „Statt Monopoly-Dollar verwendeten wir Scheine aus dem Kinderkaufmannsladen. Rote Lego-Steine benutzten wir als Häuser, weiße als Hotels. Die Karten kopierten wir erst und klebten sie dann auf stabile Pappe, die in den damaligen Fotopapier-Verpackungen enthalten war. Damit Monopoly nicht zu offensichtlich im Schrank lag, wählten wir den Karton eines anderen Spiels als Verpackung“, erinnert sich eine Frau aus Dresden. Ein noch kreativeres Versteck fand ein ehemaliger Soldat der Nationalen Volksarmee. Der Mann zeichnete mit seinen Kameraden den Monopolyplan auf die Rückseite eines Bildes. Abends lag das Spiel auf dem Tisch, tagsüber hing das Kunstwerk mit der unverdächtigen Seite nach vorne an der Wand.
Mit der Perestroika lockerte sich das Monopoly-Verbot im Osten. 1988 erschien das erste sowjetische Monopoly. Dank der Glasnost-Politik von Michael Gorbatschow treiben sich die Russen seitdem ganz offiziell in den Monopoly-Bankrott. Durch das Verbot hatte das Spiel in der ehemaligen UDSSR und in der DDR Kultstatus erlangt. Als 1989 die Mauer fiel kauften viele Bürger Original-Monopoly-Spiele und entsorgten ihre Nachbauten. Heute ist die DDR Vergangenheit, Monopoly gibt es immer noch. Neben den wenigen Nachbauten existieren inzwischen auch Stätdteausgaben von Dresden, Leipzig oder Rostock. Die Nachfrage danach ist groß. In den vergangenen Jahren verkaufte Hasbro in Deutschland im Schnitt jeweils etwa 750.00 Monopoly-Ausgaben. Die klassische Variante gibt es für etwa zwanzig Euro.
Großgrundbesitzer, denen das zu preiswert ist, greifen zu Luxus-Versionen. Der Amerikaner Alfred Dunhill verkaufte eine Variante mit Häusern aus Silber und Hotels aus Gold für 25.000 US-Dollar. Und der kalifornische Juwelier Sydney Mobell verlangte eine Million US-Dollar für seine Ausgabe. Das dazugehörige Spielbrett und die Figuren waren aus purem Gold. Juwelen schmückten die Häuser, Diamanten den goldenen Würfel. Mobell fand problemlos einen Käufer. Willkommen im Kapitalismus.