Die Spiele-Autoren-Zunft (SAZ) hat einen Kodex veröffentlicht. Er soll sensibilisieren für einen respektvollen und sorgfältigen Umgang mit Spiele-Themen und -Inhalten. Über die Formulierungen wurde kontrovers diskutiert.
Der Fall Tascini sorgte für einigen Wirbel in der Brettspielbranche, vor und hinter den Kulissen. Auch die Spiele-Autoren-Zunft (SAZ) äußerte sich und kündigte im Februar 2021 an, einen „Kodex für Respekt und Verantwortung“ zu entwickeln. Jetzt ist er fertig.
„Der Kodex ist eine Willenserklärung nach bestem Wissen und Gewissen. Sie soll zu mehr reflektiertem Handeln führen. Es geht um den respektvollen sowie sorgfältigen Umgang mit Themen und Inhalten in analogen Spielen“, schreibt die SAZ. Vielfalt, Zugänglichkeit und Verantwortung stehen im Fokus. Möglichst viele Menschen sollen sich in Spielen wiederfinden (Vielfalt). Möglichst alle sollen Spiele spielen können (Zugänglichkeit). Möglichst viele Autorinnen und Autoren sollen Thema und Ton ihrer Spiele sowie ihr Verhalten reflektieren (Verantwortung).
„Natürlich wird der Kodex nicht (sofort) die Spielewelt revolutionieren und alle Probleme lösen. Er wird in mehreren Sprachen veröffentlicht und betrifft Länder mit sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, und nicht jeder wird notwendigerweise in allen Punkten zustimmen“, schreibt die SAZ selbstkritisch auf einer Hintergrundseite. Weiter heißt es: „Der Kodex hat keine rechtliche Konsequenz und keine bindende Kraft. Er existiert nur, um ein Bewusstsein für den Fortschritt zu schaffen, der in der Welt der Spiele noch gemacht werden muss.“
„Punkte wurden intensiv und kontrovers diskutiert“
Formuliert hat den Kodex laut SAZ eine multi-ethnische und diverse Arbeitsgruppe mit Menschen aus Deutschland, Frankreich, Italien, den USA, Brasilien, Österreich und Belgien. Neben SAZ-Mitgliedern seien Mitglieder der französischen Société des Auteurs de Jeux (SAJ) sowie nicht organisierte Spieleautorinnen und – autoren vertreten gewesen. „In beratender Funktion war teilweise auch ein Mitglied der Jury Spiel des Jahres beteiligt. Uns war wichtig, auch die journalistische (Außen-)Sicht einzubeziehen“, sagt Christian Beiersdorf von der SAZ. „Ein Verleger, der auch Autor ist, war ebenfalls dabei.“ Insgesamt hätten bis zu 17 Personen mitgemacht.
„Treffen fanden auf Zoom statt, viele Diskussionen und Arbeitspapiere wurden begleitend auf Discord dokumentiert“, sagt Beiersdorf. Laut ihm seien alle Punkte intensiv und kontrovers diskutiert worden. „Beim Thema ,Humor und Satire‘ haben wir besonders intensiv um eine Formulierung gerungen, die künstlerische Freiheit nicht einschränkt, aber die Selbstreflektion betont.“
75 Autorinnen und Autoren sowie Illustratorinnen und Illustratoren haben den fertigen Kodex erstunterzeichnet, darunter Klaus Teuber, Leo Colovini, Vincent Dutrait, Wolfgang Kramer und Matt Leacock.
Konkrete Tipps in weiteren Dokumenten
Der SAZ sei es wichtig gewesen, dass die Initiative für den Kodex von Spieleautorinnen und -autoren ausgegangen sei. „Wir sind Urheberinnen und Urheber der Werke, um die es geht. Deshalb müssen wir im Rahmen der Möglichkeiten zentrale Verantwortung über die Inhalte übernehmen“, sagt Beiersdorf. Da zum Entstehungsprozess von Spielen auch Verlage, Illustratorinnen und Illustratoren sowie weitere Persoen gehören, will die SAZ diese ebenfalls sensibilisieren. Gleiches gelte für die kritische Begleitung durch Journalistinnen, Blogger, YouTuberinnen und Podcaster. Wichtig sei, dass die Thematik stärker ins Bewusstsein aller Beteiligten dringe. „Repräsentation kann zu Partizipation führen und die Spieleindustrie als Ganzes würde davon stark profitieren“, schreibt die SAZ.
Da es schwierig beziehungsweise unmöglich ist, für jeden Einzelfall vorab konkrete Regeln zu definieren, will die SAZ neben dem Kodex weitere Dokumente veröffentlichen. Diese sollen konkrete Tipps geben. Ein solches Dokumente ist der Creator’s Guide von Meeples for Change sein. Darin finden Autorinnen und Autoren Hinweise, damit ihre Spiele diverser und zugänglicher werden.
Kodex für Respekt und Verantwortung
Wir Spieleautor*innen setzen uns für Respekt gegenüber anderen ein. Wir akzeptieren und schätzen eine diverse Gesellschaft in ihren vielen Formen, wie zum Beispiel Geschlechtsidentitäten, Hautfarbe, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung, körperliche und kognitive Fähigkeiten, Religion oder Kultur.
Wir übernehmen Verantwortung für unsere Spiele, für unser Handeln und für das, was wir sagen. Dabei verpflichten wir uns zu folgenden Grundsätzen:
* Wir streben eine vielfältige, respektvolle und faire Darstellung von Gesellschaften, Kulturen und historischen Kontexten in unseren Spielen an, auch auf dem Cover und in den Regeln.
* Wir recherchieren sorgfältig die kulturellen, sozialen und historischen Verhältnisse und die wissenschaftlichen Zusammenhänge, die in unseren Spielen dargestellt werden.
* Wir berücksichtigen die Auswirkungen, die diese Darstellungen auf die dargestellten Menschengruppen und auf die Spieler*innen haben können.
* Wir gestalten unsere Spiele so, dass sie so zugänglich wie möglich für alle Menschen sind.
* Wir erkennen die kulturellen Ausdrucksformen von Humor, Ironie, Satire und Karikatur an, sind uns aber bewusst, dass ihr Gebrauch verletzen kann.
* Wir wissen, dass wir Fehler machen können, aber wir werden versuchen, diese Fehler wann und wo immer möglich zu korrigieren.
* Wir weisen respektvoll auf problematische Aspekte in Werken und Handlungen anderer Spieleautor*innen hin und bieten unsere Hilfe bei der Suche nach möglichen Lösungen und Alternativen an.
Wir laden Verlage und Illustrator*innen ein, die gleichen Maßstäbe anzulegen. Wir freuen uns über ALLE in der Spielebranche – egal ob Spieleautor*in, Verleger*in, Illustrator*in, Redakteur*in, Blogger*in oder Journalist*in, die diesen Kodex als persönliche Selbstverpflichtung unterstützen.