Brettspiele spielen zählt seit März 2025 offiziell zum Immateriellen Kulturerbe Deutschlands. Das bringt kein Geld, könnte aber neue Türen öffnen.
Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes
Menschen tanzen, feiern singen und spielen. Sie pflegen Bräuche, Beziehungen und ihre Umwelt. Dabei bewahren und gestalten sie ihr kulturelles Erbe. Das Unesco-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes fördert die Sichtbarkeit und Weiterentwicklung dieses lebendigen Erbes, beispielsweise durch internationale Unesco-Listen oder über Einträge ins bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland. Im Verzeichnis gibt es neben der Brettspielkultur weitere verspielte Einträge: Skat spielen wurde 2016 aufgenommen. Das gilt auch für die Schachtradition in Ströbeck.
Was haben Glockenmusik, das Nikolauspostamt und Brettspiele spielen gemeinsam? Sie gehören seit dem 26. März 2025 offiziell zum Immateriellen Kulturerbe Deutschlands. Insgesamt wurden an diesem Tag 18 lebendige Traditionen neu ins bundesweite Verzeichnis aufgenommen. Aktuell umfasst es 168 Einträge. Der Weg zur Aufnahme führte über ein mehrstufiges Verfahren. Daran beteiligt waren die Bundesländer, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie die deutsche Unesco-Kommission. Thüringen hatte die Aufnahme der Brettspielkultur vorgeschlagen.
„Brettspielkultur verbindet Generationen“
Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth freute sich über die Entscheidung und sagte: „Die Brettspielkultur verbindet Generationen und fördert den Zusammenhalt.“ Die Präsidentin der Kulturministerkonferenz Barbara Klepsch ergänzte: „Das Immaterielle Kulturerbe ist ein wichtiger Bestandteil unserer kulturellen Identität. Die Aufnahme neuer Traditionen und Praktiken würdigt das Engagement der Gemeinschaften, die dieses Erbe pflegen und weitertragen.“ Die Brettspielkultur wird in Deutschland in Vereinen, Clubs, Cafés und Jugendzentren, aber auch in privaten Haushalten gepflegt.
In der Begründung heißt es unter anderem weiter:
Durch das gemeinsame Spielen entsteht eine integrative und generationenübergreifende Praxis, die Menschen miteinander verbindet, unabhängig von sozialen oder kulturellen Unterschieden!
Die Brettspielkultur in Deutschland ist einer breiten Öffentlichkeit niedrigschwellig zugänglich und vermittelt spezifisches Wissen und Fertigkeiten, insbesondere in der Anwendung und Erklärung von Spielregeln sowie in der Gestaltung von Spielen. Brettspiele spielen fördert die Bildung von Gemeinschaften. Vom ursprünglich eher familieninternen Gebrauch erweiterte sich das Brettspiel hin zu einer sozialen und kulturellen Praxis in gemeinschaftlichen Räumen. Seit den 1970er Jahren wird das Brettspiel kontinuierlich weiterentwickelt, wobei neue Spielarten und Formate mit gesellschaftlichen Themen wie Integration und interkulturellem Austausch aufgegriffen wurden.
Brettspielkultur: Langer Weg zur Anerkennung
Die offizielle Anerkennung ist das Ergebnis jahrelanger Bemühungen. Die Idee dazu stammte von Ferdinand de Cassan vom Österreichischen Spielemuseum, schreibt Prof. Dr. Jens Junge in einem Blogbeitrag. Kurz vor seinem Tod beauftragte de Cassan demnach Tom Werneck vom Bayerischen Spiele-Archiv, die Anerkennung voranzutreiben.
Werneck und Prof. Dr. Karin Falkenberg, damals Deutsches Spielearchiv Nürnberg, unternahmen 2017 erste Versuche in Bayern. Zwei Gutachter unterstützen sie: Prof. Dr. Junge vom Institut für Ludologie in Berlin und Ernst Kick, damals Geschäftsführer der Nürnberger Spielwarenmesse. Den ersten Antrag lehnte die zuständige Kommission ohne Begründung ab. Zwei Jahre später, 2019, reichte die Gruppe einen neuen Antrag ein. Er war erfolgreicher und führte zur Aufnahme als „Gutes Praxisbeispiel“ auf der bayerischen Landesliste. Eine Empfehlung zur Aufnahme ins Bundesverzeichnis sprach Bayern jedoch nicht aus.
Der Durchbruch gelang im Mai 2024 mit einem Antrag in Thüringen. Er wurde vorangetrieben von Werneck, Prof. Dr. Falkenberg und Prof. Dr. Junge. Ebenfalls eingesetzt hatten sich die Altenburger Spieletage, der Ali-Baba Spieleclub in Nürnberg mit seinen elf Regionalverbänden und die gemeinnützigen Brettspielcafés Spielzeitcafé aus Flensburg und Spielecafé der Generationen aus Pfarrkirchen. Dagmar de Cassan stellte die bedeutende Brettspielsammlung ihres verstorbenen Mannes Ferdinand zur Verfügung. Gemeinsam gelang es, die Aufnahme ins thüringische Landesverzeichnis zu erreichen – und schließlich im März 2025 die bundesweite Anerkennung der Brettspielkultur als immaterielles Kulturerbe.
Indirekte Vorteile durch Aufnahme
Die Spiele-Autoren-Zunft (SAZ) begrüßt die Aufnahme ins Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes und erneuert bekannte Forderungen. Die Anerkennung unterstreiche die Notwendigkeit, analoge Spiele in der Deutschen Nationalbibliothek oder in einem mit Bundesmitteln geförderten Spielearchiv zu sammeln, zu bewahren sowie für die Forschung und für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. Die Datenbank des Archivs könnte Grundlage für die Ausschüttung der Bibliothekstantieme für analoge Spiele sein. Die SAZ hofft, dass der 21. Deutsche Bundestag dafür die Grundlagen legt.
Ansonsten hat die Aufnahme vor allem symbolischen Charakter. Direktes Geld fließt dadurch nicht. Indirekt erleichtert die Anerkennung den Zugang zu Geldern sowie anderen Ressourcen und eröffnet Fördermöglichkeiten. Harald Schrapers zieht in seinem Blog games we play einen Vergleich mit digitalen Games.
Dort [im Etat des Kulturstaatsministerin] ist auch ein 6,5-Millionen-Euro-Stipendienprogramm für digitale Spieleentwicklungen angesiedelt: 132 Personen werden mit 18 Monaten à 2.750 Euro gefördert. Im analogen Bereich gibt es ein Stipendium nur für eine einzige Person, die einen vom Spiel des Jahres e.V. finanzierten Einmalbetrag von 3.500 Euro bekommt.
Das Missverhältnis ist groß. Aber vielleicht kann die Anerkennung als Kulturerbe helfen, etwas mehr Aufmerksamkeit für das Brettspiel zu bekommen.
Die Brettspielkultur könnte durch die Aufnahme ins bundesweite Verzeichniss auch für eine von drei internationalen Unesco-Listen des Immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen werden. Aktuell verzeichnet Deutschland dort zehn Einträge.