Der Deutsche Pius Heinz hat das wichtigsten Poker-Event der Welt gewonnen. War das Glück? Können? Zufall? Über die Antwort auf die Frage streiten Experten. Für den Bild- Journalisten Franz Josef Wagner ist jedoch klar, dass Pius nur Glück gehabt hat. Wir widersprechen – standesgemäß in einem offenen Brief.
Hinweis: Der Artikel erschien erstmals 2011 auf zuspieler.de
Der Journalist Franz Josef Wagner schreibt gerne offene Briefe. Mal an die Bundeskanzlerin, mal an den Atomausstieg, mal an Gurken, Tomaten und Kopfsalate. Am 9. November hat er an den Poker-Weltmeister geschrieben. 8,72 Millionen US-Dollar hat der Deutsche Pius Heinz mit seinem Sieg beim wichtigsten Poker-Event der Welt gewonnen. Jetzt ist er in den Worten von Wagners Hausblatt, der Bild-Zeitung, Poker-Papst. Sozusagen das Oberhaupt der Poker-Anhänger. Ist das Glück? Können? Zufall? Über die Antwort auf die Frage streiten Experten. Für Wagner ist jedoch klar, dass Pius nur Glück gehabt hat. Er fragt in seinem Brief außerdem: Was für Kinder kriegen wir, wenn der Poker-Weltmeister ihr Held wird? Taschengeld verpokern am Schulhof?” Wir widersprechen der Meinung von Wagner entschieden – ganz standesgemäß in einem offenen Brief.
Lieber Franz Josef Wagner,
Sie sind deutlich über 60, Boulevard-Journalist aus Deutschland. In der Bild-Zeitung haben Sie einen Brief an den Poker-Weltmeister geschrieben und unfassbare 117 Wörter (765 Zeichen).
Sind Sie jetzt ein Jauch, ein Kister, eine Anne Will, ein Diekmann? Empfängt Sie der Bundespräsident?
Nein, natürlich nicht. Schwadronieren, faseln, schwafeln sind keine Werte.
Sie mögen ein toller Typ sein. Cool, nervenstark. Aber als Poker-Versteher taugen Sie nicht.
Wann beginnt das Poker Verstehen? Es beginnt bei den Kindern. Sie fragen sich: Was für Kinder kriegen wir, wenn der Poker-Weltmeister ihr Held wird?
Mathematik-Genies, die blitzschnell Wahrscheinlichkeiten ausrechnen? Analytiker, die sich in Ihr Gegenüber hineinversetzen?
Ich weiß, dass ich jetzt den klügsten Satz meines Briefes schreibe: Das Leben ist kein Glücksspiel.
Herzlichst
zuspieler.de
So weit, so boulevardesk. Widmen wir uns zum Abschluss des Artikels noch einer etwas ernsteren Analyse des Problems. Ist Poker ein Glücksspiel?
Der Gesetzgeber schreibt im Glücksspielstaatsvertrag: „Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.“
Hängt bei Poker die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall ab? Das kommt erstens auf die gespielte Variante an. Beim Draw Poker sieht jeder Spieler nur seine eigenen Karten. Der Glücksfaktor ist somit wesentlich höher als bei Varianten mit offenen oder gemeinsamen Karten. Beschränken wir uns in unserer Analyse also auf die beliebteste Variante: Texas Hold’em. Pius gewann darin seinen Weltmeistertitel.
Glück- oder Geschicklichkeitsspiel?
Wenn der Zufall bei Texas Hold’em über Sieg oder Niederlage entscheidet, müsste ein zufällig agierender Spieler in einer Wettkampfsituation bestehen. Er müsste in 50 Prozent der Fälle gegen normal agierende Spieler gewinnen. Gewinnt er jedoch beispielsweise nur in 30 Prozent der Fälle, wäre Texas Hold’em kein Glücks-, sondern ein Geschicklichkeitsspiel.
Die TÜV Rheinland Secure IT GmbH hat genau das getestet und ist laut Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambrecht zu folgendem Ergebnis gekommen: “Dieser Test hat ergeben, dass Durchschnittsspieler die zufällig handelnden Spieler signifikant schlagen. Die Aussagekraft (Signifikanz) der Testergebnisse für die Gesamtbeurteilung des Spiels wurde nach stochastischen Methoden positiv festgestellt. Damit wurde bewiesen, dass Texas Hold’em in den untersuchten Serienspielvarianten ein Geschicklichkeitsspiel ist.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Profis berücksichtigen unter anderem die mathematische Wahrscheinlichkeit der Kartenverteilung, das Verhalten ihrer Mitspieler und die Sitzreihenfolge am Tisch.
Das scheinen auch die Redakteure der Bild-Zeitung zu wissen. Im Internet verraten die Journalisten Poker-Anfängern Tipps. Dort steht: “An Spielgeld-Tischen erlebt man es oft, dass Anfänger gleich in der ersten Runde All-in gehen, also ihr gesamtes Chip-Guthaben setzen. […] Mit diesem Verhalten zeigen Sie, dass Sie Pokern für ein reines Glücksspiel halten – der größtmögliche Faux-Pas!”